Eine erfolgreiche Reise

In Ägypten

Mein Aufenthalt in Tripolis, der Hauptstadt Libyens, war nur so lang wie ich benötigte, um ein Visum von der ägyptischen Botschaft zu erhalten. Ich traf mich dort mit ein paar Freunden, die mir in dieser Sache behilflich waren – möge Allah sie dafür belohnen. Das Taxi, das mich in drei Tagen und Nächten nach Ägypten bringen sollte, teilte ich mir mit vier in Libyen beschäftigten ägyptischen Arbeitern, die sich auf dem Weg in ihre Heimat befanden. Während der Fahrt unterhielt ich mich mit ihnen und las für sie den Qur'an, wofür sie mich mochten und jeder von ihnen mich einlud, in Ägypten sein Gast zu sein. Ich wählte einen von ihnen wegen seiner Bescheidenheit und Frömmigkeit aus. Sein Name war Ahmad, und er beehrte mich mit äußerster Gastfreundschaft. Ich verweilte zwanzig Tage in Kairo, während denen ich den Sänger Farid al-Atrash in seiner Wohnung am Nil besuchte. Ich war begeistert von ihm, hatte ich doch in ägyptischen Magazinen von seiner Bescheidenheit gelesen, doch leider hielt mein Glück nicht länger als zwanzig Minuten an, da er in Begriff war, zum Flughafen zu fahren, um von dort in den Libanon zu fliegen.

Ich besuchte auch Scheich Abdulbasit Muhammad Abdussamad, den berühmten Qur'an-Rezitator, dessen Stimme mir sehr gefiel. Ich blieb drei Tage bei ihm, während denen ich mit seinen Verwandten und Bekannten über viele Themen diskutierte. Sie bewunderten meinen Enthusiasmus, meine Offenheit und mein breites Allgemeinwissen, denn wenn sie über Kunst sprachen, sang ich, und wenn sie über Weltentsagung und Sufismus sprachen, erzählte ich ihnen, dass ich sowohl zum Tijani- als auch zum Medani-Orden gehörte. Wenn sie über den Westen sprachen, erzählte ich ihnen von Paris, London, Belgien, den Niederlanden, Italien und Spanien, die ich in den Sommerferien bereist hatte. Und wenn sie über die Pilgerfahrt sprachen, berichtete ich ihnen, dass ich bereits gepilgert war und mich auf dem Weg zur kleinen Wallfahrt befinde. Ich erzählte ihnen dann von Orten, die nicht einmal diejenigen kannten, die bereits sieben mal gepilgert waren, wie beispielsweise die Höhlen Hira und Thaur und die Stätte Ismaels. Und wenn sie über Wissenschaften und Technologien sprachen, nannte ich ihnen Werte und ihre wissenschaftlichen Bezeichnungen, und wenn sie über Politik sprachen, verblüffte ich sie mit meinen Ansichten, indem ich hinzufügte: “Allah segne al-Nasir Salahaddin al-Ayyubi, der sich geschworen hatte, niemals zu lächeln. Und wenn einige seiner engsten Freunde ihn deswegen kritisierten, indem sie sagten: ‚Allahs Gesandter war häufig lächelnd gesehen worden”, erwiderte er ihnen: ‚Wie könnt ihr von mir verlangen, dass ich lächle, solange die al-Aqsa-Moschee von Allahs Feinden besetzt ist? Nein, bei Gott, ich werde nicht lächeln, bis ich sie befreie oder vorher sterbe!‘ "

Auch einige Scheichs der al-Azhar waren bei diesen Sitzungen anwesend. Ihnen gefiel, was ich neben kräftigen Argumenten an Überlieferungen (Ahadith) und Qur'an-Versen auswendig wusste, und sie fragten mich, an welcher Universität ich studiert hätte. Ich antwortete stolz, dass ich an der al-Zaituna-Universität studiert hätte, welche vor der al-Azhar gegründet worden war, und fügte hinzu, dass die Fatimiden, welche die al-Azhar gründeten, in der Stadt al-Mehdiya in Tunesien aufgebrochen waren.

Ich lernte viele angesehene Scheichs der al-Azhar-Universität kennen, die mir einige Bücher schenkten. Eines Tages hielt ich mich gerade im Büro eines Verantwortlichen für die Angelegenheiten der al-Azhar-Universität auf, als ein Mitglied des ägyptischen Revolutionären Befehlskomitees eintraf und ihn einlud, an einer Versammlung für Muslime und koptische Christen im größten ägyptischen Eisenbahnunternehmen in Kairo teilzunehmen. Die Versammlung sollte eine Protestaktion gegen Sabotageakte nach dem Juni-Krieg darstellen. Das Mitglied des Revolutionären Befehlskomitees bestand darauf, dass ich mit ihm gehe. Ich fand mich letztendlich in der Prominentenreihe sitzend zwischen dem Gelehrten von al-Azhar und Pater Shenuda. Sie baten mich, vor den Anwesenden eine Rede zu halten, was mir ziemlich leicht fiel, da ich durch meine Vorträge in Moscheen und kulturellen Ausschüssen in Tunesien schon reichlich Erfahrung mitbrachte.

Doch was ich eigentlich mit all dem sagen will, was ich in diesem Kapitel zu Wort gebracht habe, ist, dass ich begann, mich groß zu fühlen und tatsächlich glaubte, ein Alim, ein Gelehrter geworden zu sein. Wieso auch nicht? Schließlich bestätigten mir dies die Gelehrten von al-Azhar, und nicht selten sagten sie zu mir: "Dein Platz ist in al-Azhar". Aber was mich noch stolzer machte, war, dass man mir gewährte, die Hinterlassenschaften des Gesandten Allahs (Allah segne ihn und schenke ihm Heil) zu sehen.

Ein Verantwortlicher der al-Hussein-Moschee in Kairo führte mich in einen Raum, von dem er behauptete, nur er könne ihn öffnen. Er verriegelte die Tür hinter uns, öffnete eine Truhe und nahm das Hemd des Heiligen Propheten heraus. Ich küsste es, dann zeigte er mir noch einige andere Relikte des Gesandten. Als wir hinausgingen, weinte ich bewegt durch diese rührende Geste und vor allem, weil der Verantwortliche keinerlei Gegenleistung von mir dafür erwartete. Er weigerte sich sogar, etwas von mir anzunehmen, und erst als ich energisch darauf bestand, nahm er eine geringe Summe von mir an und gratulierte mir, weil ich – wie er sagte – zu jenen gehörte, die vom heiligen Propheten geehrt wurden.

Möglicherweise hinterließ dieses Ereignis seine Spuren in mir, denn sogleich begann ich, ausgiebig darüber nachzudenken, was die Wahhabiten über den Gesandten sagen, nämlich dass er gestorben sei wie jeder andere Sterbliche.

Ich war von der Richtigkeit dieser Idee nicht überzeugt und überlegte mir, wie es sei kann, dass ein Märtyrer, der im Kampf in Gottes Namen fällt, an der Seite seines Herrn weiterlebt, aber der Meister der Ersten und Letzten tot sein soll. Die Gefühle dieser Art wurden immer deutlicher und stärker, was ich meinen Kontakten mit den Sufis zu verdanken hatte, welche an das volle Handlungsbewusstsein ihrer Heiligen und Scheichs glauben und behaupten, Gott selbst hätte sie dazu befähigt, weil sie Ihm gehorcht hatten und akzeptierten, was Er ihnen gab. Spricht Er doch Selbst: "Mein Diener! Gehorche Mir, und du wirst so sein wie Ich. Du befielst den Dingen zu sein, und sie werden sein."

Der Kampf in meinem Bewusstsein begann, auf mich zu wirken. Ich beendete meinen Aufenthalt in Ägypten, nachdem ich in den verbleibenden Tagen zahlreiche Moscheen aufsuchte. Ich betete in den Moscheen von Malik, Abu Hanifa, al-Shafi’i, Ahmad Ibn Hanbal, dann in der Moschee von Sayyida Zaynab und von Hussein sowie in dem Bethaus des Tijani-Ordens. Ich habe dazu viele Anekdoten zu erzählen aber ziehe es vor, mich kurz zu fassen.

 

Eine Begegnung an Bord eines Schiffes

Ich fuhr nach Alexandria an genau dem Tag, für den ich mir einen Platz auf der ägyptischen Fähre nach Beirut reserviert hatte. Körperlich und seelisch erschöpft ließ ich mich auf mein Bett nieder. Ich schlief eine Weile und erwachte – das Schiff war wohl schon vor zwei oder drei Stunden ausgelaufen – durch die Stimme meines Nachbarn, der sagte: "Der Bruder scheint müde zu sein." Ich antwortete bejahend und erklärte ihm, dass die Reise von Kairo nach Alexandria mich müde gemacht habe und dass ich gestern nicht ausreichend geschlafen hatte, weil ich mich beeilte, pünktlich zu sein. Durch seinen Dialekt wusste ich, dass er kein Ägypter war. Meine Neugier veranlasste mich wie immer, mich ihm vorzustellen, um dann zu erfahren, wer er sei. Ich erfuhr somit, dass er ein irakischer Dozent von der Universität Bagdad mit Namen Mun’im war. Er war nach Kairo gereist, um in al-Azhar seine Doktorarbeit vorzustellen.

Wir begannen, uns über Ägypten zu unterhalten und über die arabischen und islamischen Länder, und sprachen über die Niederlage der Araber und den Triumph der Juden und so weiter. Die Themen wechselten sich ab, und einmal sagte ich, dass der Grund für die Niederlage der Araber und Muslime ihre Unterteilung in viele kleine Staaten, Gruppen und Glaubensrichtungen sei, sodass ihre Feinde sich durch ihre große Anzahl nicht irritieren lassen.

Wir redeten viel über Ägypten und die Ägypter und waren uns über die Gründe der Niederlage einig. Ich fügte hinzu, dass ich gegen diese Unterteilungen sei, welche von den Kolonialmächten unterstützt wurden, damit sie bei unserer Besetzung und Erniedrigung leichtes Spiel hatten, so dass wir heute noch zwischen Malikiten und Hanafiten unterscheiden. Dann erzählte ich ihm von einem traurigen Ereignis, das ich erlebte, nachdem ich in der Abu-Hanifa-Moschee in Kairo das Nachmittagsgebet mit der Gemeinde verrichtet hatte. Der Mann, der neben mir stand, wandte sich zu mir und sagte zornig:

"Warum legst du deine Hände während des Gebets nicht übereinander?"

Ich antwortete ihm freundlich und respektvoll, dass wir Malikiten es vorzögen, die Hände während des Betens neben dem Körper ruhen zu lassen. Sogleich fuhr er mich an:

“Geh zur Malik-Moschee und bete dort!” Ich verließ die Moschee enttäuscht und verärgert über dieses Benehmen und wunderte mich darüber sehr. Da sagte der Iraker lächelnd zu mir, dass er Schi'it sei.

Ich war verwirrt durch diese Nachricht und sagte bedachtlos zu ihm: "Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Schi'it sind, hätte ich nicht mit Ihnen gesprochen!"

Er fragte nach dem Grund. Ich sagte:

"Weil ihr keine Muslime seid und Ali Ibn Abi Talib anbetet! Die Gemäßigten unter euch glauben zwar an Gott aber nicht an Seinen Propheten Muhammad – Allah segne ihn und schenke ihm Heil – und beschuldigen den Engel Gabriel, seinen Auftrag nicht erfüllt und die Botschaft Muhammad anstatt Ali überbracht zu haben!"

Ich fuhr fort mit solcher Art von Anschuldigungen, während mein Gegenüber hin und wieder lächelte oder staunte. Als ich aufhörte zu sprechen, fragte er mich:

"Sie sind Lehrer und unterrichten Schüler, richtig?"

Ich antwortete mit Ja.

Er sagte: "Wenn dies die Ansicht der Lehrer ist, dann können wir die normalen Leute für nichts verantwortlich machen."

Ich fragte: "Was meinen Sie damit?"

Er sagte: "Entschuldigen Sie, aber woher haben Sie diese falschen Anschuldigungen?"

Ich sagte: "Aus historischen Büchern und der Rest ist allgemein bekannt."

Er sagte: "Lassen wir mal das allgemein Bekannte außer Acht. Welche Geschichtsbücher haben Sie denn gelesen?"

Ich begann, einige Bücher wie Fajr al-Islam, Duha al-Islam und Zuhr al-Islam von Ahmad Amin und andere Bücher aufzuzählen.

Er fragte: “Und wann war Ahmad Amin eine Autorität bei den Schi'iten?” Dann fügte er hinzu: “Sowohl Gerechtigkeit als auch Objektivität erfordern eine sorgfältige Überprüfung der Sachlage und Abwägung der originalen Schriften zu den Glaubensinhalten."

Ich erwiderte: "Warum sollte ich eine Angelegenheit überprüfen, die bei allen Leute bekannt ist?"

Er sagte: “Ahmad Amin selbst besuchte den Irak, und ich befand mich unter den Delegierten, die ihn in al-Najaf trafen. Als wir ihn zu seinen Schriften über die Schi'iten zur Rechenschaft zogen, bat er um Verzeihung und sagte: ‚Ich weiß gar nichts über euch und hatte auch nie zuvor Kontakt zu Schi'iten. Das ist das erste Mal, dass ich Schi'iten treffe.’ Wir sagten zu ihm, dass seine Entschuldigung schlimmer sei als sein Fehler, denn wie konnte er solche hässlichen Dinge über uns schreiben, ohne etwas über uns zu wissen?

Bruder, wenn wir Juden oder Christen nach dem Heiligen Qur'an richten wollten, würden sie es nicht akzeptieren, obwohl der Qur'an unser stärkstes Argument ist. Die Argumente sind aber noch stärker, wenn wir ihnen ihre Fehler in ihren eigenen authentischen Büchern aufzeigen. Das wäre dann in Übereinstimmung mit der Redensart: ‚Einer von ihnen legte gegen sie Zeugnis ab.‘"

Seine Aussage beeindruckte mich sehr. Ich spürte, wie ich mich von einem bitteren Kritiker zu einem interessierten Zuhörer wandelte, da ich in seinen Worten starke Argumente und klare Logik fand. Also musste ich mich etwas mäßigen und seinen Worten zuhören. Ich sagte zu ihm:

"Sie gehören demnach zu jenen, die an die Gesandtschaft unseres Propheten Muhammad glauben?"

Er antwortete: “Allah segne und erhalte ihn und seine Nachkommen! Alle Schi'iten glauben dies wie ich, und du, mein Bruder, hättest dich lieber selbst davon überzeugt, damit du nichts Schlechtes über deine schi'itischen Brüder denken brauchst, weil ‚manche Gedanken Sünde sind‘". Dann fügte er hinzu: "Wenn du wirklich die Wahrheit kennenlernen und mit eigenen Augen sehen möchtest, lade ich dich ein, den Irak zu besuchen, um dich dort mit schi'itischen Gelehrten und der Allgemeinheit zu treffen. So wirst du den Lügen jener, die uns hassen, auf die Schliche kommen."

Ich sagte: "Es war schon immer mein Wunsch, eines Tages den Irak zu besuchen, um die berühmten islamischen Relikte zu besichtigen, welche die Abbasiden, allen voran Harun al-Rashid, hinterlassen haben. Doch erstens sind meine finanziellen Mittel beschränkt, da ich gerade genug dabei habe, um mir die kleine Wallfahrt leisten zu können, und zweitens gestattet mir mein Reisepass nicht die Einreise in den Irak."

Er erwiderte: "Erstens: Als ich dir sagte, dass ich dich in den Irak einlade, meinte ich, dass ich für alle Kosten deiner Reise von Beirut nach Bagdad und zurück aufkomme und dass du während deines Aufenthalts im Irak als Gast in meinem Haus wohnen wirst. Zweitens: Was den Pass angeht, mit dem du nicht in den Irak einreisen kannst, so überlassen wir es Gott, zu entscheiden, ob du uns besuchen wirst. Und wenn ja, dann geht das sogar ohne Reisepass. Nach unserer Ankunft in Beirut müssen wir jedoch zunächst versuchen, ein Visum für dich zu bekommen."

Ich freute mich unbeschreiblich über dieses Angebot und versprach meinem Freund, ihm meine Entscheidung am nächsten Morgen mitzuteilen, so Gott, Der Barmherzige, will.

Ich ging aus meinem Schlafraum hinauf auf das Deck, um frische Luft zu schnappen. Ich verlor mich in Gedanken, während mein Blick über das Meer glitt, das den Horizont ausfüllte. Ich pries meinen Herrn dafür, dass Er das Universum erschuf, und dankte Ihm, dass Er mich an diesen Ort brachte. Ich bat Ihn, Den Größten und Allmächtigen, mich vor allem Bösen zu beschützen und vor jeglichen Fehlern und Irrtümern zu bewahren.

Während ich so nachdachte, sah sich vor meinem inneren Auge einen Film ablaufen, der die Ereignisse, die ich erlebt hatte, und die glücklichen Momente, die ich seit meiner Kindheit genießen durfte, wiederholte. Ich träumte von einer besseren Zukunft und spürte, dass Allah und Sein Gesandter mich mit einer besonderen Fürsorge umgaben. Ich schaute wehmütig nach Ägypten herüber, dessen Ufer noch von Zeit zu Zeit am Horizont sichtbar wurde, jenes Land, in dem ich das Hemd des Gesandten Allahs (s.) geküsst hatte, was im Grunde genommen meine schönste Erinnerung dieser Art aus Ägypten darstellte.

Dann erinnerte ich mich an die Worte des Schi'iten, die mich so erfreut hatten, da ich mir endlich einen Kindheitstraum erfüllen würde, nämlich den Irak zu besuchen. Den Palast von al-Raschid und Ma’mun, der das Dar al-Hikma (Haus der Weisheit) gründete, in welchem viele Studenten aus dem Westen die verschiedenen Wissenschaften studierten, als sich die islamische Zivilisation auf ihrem Höhepunkt befand.

Der Irak ist daneben auch das Land jener erhabenen Persönlichkeit, des unvergesslichen Scheichs Sidi Abdulqadir al-Gilani, der auf der ganzen Welt bekannt ist und dessen mystischer Orden in sämtlichen Dörfern vertreten ist. Ein Mensch, dessen Umsichtigkeit alle Grenzen überschritt. Dies empfand ich ebenfalls als Gottes Fürsorge, die mich diesen Traum verwirklichen lassen sollte.

Ich versank abermals in meinem Ozean aus Phantasien und Hoffnungen, bis mich die Lautsprecherdurchsage aufschreckte, die alle Reisenden zum Abendessen in der Kantine aufrief. Also machte ich mich zum erwähnten Ort auf, doch fand ihn überfüllt mit Leuten, die sich drängelten und schrien, nur um vor den anderen an die Reihe zu kommen.

Plötzlich zog der Schi'it mich an meiner Kleidung zur Seite und sagte zu mir: "Komm, mein Bruder, quäle dich nicht damit. Wir werden später in aller Ruhe zusammen essen, und sowieso habe ich schon überall nach dir gesucht." Dann fragte er mich, ob ich schon gebetet hätte. Ich antwortete, dass ich noch nicht gebetet hätte, und er sagte: "Wenn das so ist, dann komm und lass uns beten. Danach kommen wir zurück, um zu essen, wenn das Gedränge und Geschrei der anderen vorüber ist."

Ich fand seinen Vorschlag gut und begleitete ihn an einen ruhigen Ort, wo wir die rituelle Gebetswaschung vornahmen und ihn bat, das Gebet als Imam zu leiten. Das tat ich jedoch nur, um zu testen, wie er betet, und dann etwas später mein Gebet heimlich nachzuholen.

Sobald er begann, den Pflichtteil des Abendgebets zu verrichten, wobei er ausgiebig Qur'an-Verse und Bittgebete rezitierte, änderte ich meine Meinung. Ich kam mir vor, als befände ich mich in Gegenwart eines der verehrten Gefährten des Propheten, über deren Frömmigkeit und Gottesfurcht ich gelesen hatte. Als er mit dem Gebet endete, rezitierte er lange Bittgebete, die ich in meinem Land oder anderen noch nie zuvor gehört hatte, und fühlte mich jedes Mal erleichtert, wenn ich hörte, wie er Muhammad (s.) und seine Nachkommen segnete und lobte wie es sich gehört.

Nach dem Gebet bemerkte ich Tränen in seinen Augen und hörte, dass er Gott bat, mir die Augen zu öffnen und mich den rechten Weg sehen zu lassen.

Wir gingen in die Kantine, wo es allmählich ruhiger wurde. Mein Freund setzte sich nicht, bevor ich mich gesetzt und er uns zwei Teller zu Essen gebracht hatte. Dann vertauschte er die beiden Teller, weil ich weniger Fleisch hatte als er, und fing an, sich um mich zu kümmern, als wäre ich sein Gast. Er erzählte mir Überlieferungen bezüglich Essen, Trinken und Tischmanieren, die ich vorher nie gehört hatte.

Sein gutes Benehmen gefiel mir. Er leitete das Nachtgebet und rezitierte lange Bittgebete, die mich letztendlich zum Weinen brachten. Ich bat den erhabenen Gott, meine Meinung über meinen Gefährten zu ändern, weil "einige Gedanken Sünde sein könnten". Aber wer weiß?

Ich schlief und träumte dabei vom Irak und von Tausend und einer Nacht und wachte auf, als er mich zum Morgengebet rief. Nach dem Morgengebet setzten wir uns und redeten über Allahs Segen über die Muslime. Danach legten wir uns wieder schlafen, und als ich aufwachte, sah ich ihn auf seinem Bett sitzend, einen Rosenkranz in der Hand halten, mit welchem er Allahs Namen lobpries. Dadurch fühlte ich mich noch erleichterter und bat meinen Herrn um Vergebung.

Wir aßen gerade in der Kantine zu Mittag, als wir durch die Lautsprecher hörten, dass das Schiff bald im Libanon anlegen würde, und dass wir in zwei Stunden im Hafen von Beirut einlaufen würde, wenn Gott will. Er fragte mich, ob ich ausreichend nachgedacht und eine Entscheidung gefällt hätte. Ich antwortete ihm, dass wenn Allah, der Allmächtige, uns erleichtere, ein Visum zu bekommen, ich kein Hindernis mehr sähe, und dankte ihm für seine Einladung.

Wir kamen in Beirut an, wo wir eine Nacht blieben und dann nach Damaskus weiterreisten. Dort gingen wir sofort zur irakischen Botschaft, und ich erhielt das Visum so rasch wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Als wir hinausgingen, gratulierte er mir und dankte Allah für Seine Hilfe.

 

Mein erster Besuch im Irak

Wir fuhren in einem großen Wagen der Internationalen al-Najaf-Gesellschaft von Damaskus nach Bagdad. Als wir in Bagdad ankamen, waren es dort 40°C. Wir begaben uns sofort zu Mun’ims Haus im Viertel Jamila. Ich betrat das klimatisierte Haus und ruhte mich etwas aus, dann brachte er mir ein langes Hemd, das sie “Dishdasha" nennen. Er brachte noch Obst und andere Nahrungsmittel, als seine Familie eintraf.

Sie empfingen mich mit allem Anstand und Respekt, und sein Vater umarmte mich, als hätten wir uns schon vorher gekannt, wohingegen seine Mutter mit einem schwarzen Mantel bekleidet in der Tür stand und mich willkommen hieß. Mein Freund entschuldigte sich im Namen seiner Mutter dafür, dass sie mir nicht die Hand geben konnte, da es verboten sei. Ich staunte darüber sehr und dachte mir:

"Diese Leute, die wir als Abtrünnige bezeichnen, scheinen die Gesetze unserer Religion mehr einzuhalten als wir." Während den Tagen unserer gemeinsamen Reise hatte ich bereits das gute Benehmen und die Großzügigkeit meines Freundes kennen gelernt. Auch schätzte ich an ihm seine Bescheidenheit und Frömmigkeit, wie ich sie vorher bei niemandem gekannt hatte. Ich fühlte mich keineswegs fremd sondern wie in meinem eigenen Zuhause.

Als es Nacht wurde, gingen wir auf das Dach des Hauses, wo unsere Schlafplätze vorbereitet wurden. Ich blieb noch lange Zeit wach, grübelnd, ob ich träumte oder wachte. War es wirklich Realität, dass ich mich in Bagdad nahe Sidi Abdulqadir al-Gilani befand?

Mein Freund lachte und fragte mich, was die Tunesier von Abdulqadir al-Gilani hielten. Ich begann, ihm von den Tugenden zu berichten, die man sich von ihm erzählt, und von den Orten, die nach ihm benannt wurden. Ich erzählte ihm, dass er die "Mitte des Kreises" sei und der "Meister der Heiligen", so wie Gottes Gesandter Muhammad (s.) der Meister der Propheten war. Seine Füße stünden auf dem Nacken aller Heiligen, und er sei derjenige gewesen, der sagte:

"Die Menschen umgehen das Haus (die Kaaba) sieben Mal. Ich werde mit meinen Zelten um das Haus ziehen."

Ich versuchte, ihn zu überzeugen, das Scheich Abdulqadir al-Gilani einigen seiner Anhänger und Getreuen erscheine, um ihre Krankheiten zu heilen und ihren Kummer zu trösten. Ich hatte wohl den Einfluss der Wahhabiten vergessen, die mich gelehrt hatten, dass dies alles Polytheismus sei. Und als ich bemerkte, dass ich meinen Freund nicht begeistern konnte, versuchte ich, mich selbst davon zu überzeugen, dass das, was ich gesagt hatte, nicht wahr sei und fragte ihn nach seiner Meinung.

Er antwortete lachend: "Schlafe diese Nacht und ruhe dich aus von der anstrengenden Reise. Morgen werden wir Scheich Abdulqadir al-Gilani besuchen, wenn Gott will.”

Ich freute mich sehr darüber und konnte den nächsten Morgen kaum erwarten. Aber die Müdigkeit kam über mich, so dass ich tief schlief, bis die Sonne auf mich schien. Ich hatte das Gebet verpasst, und Mun’im sagte mir, er habe mehrere Male erfolglos versucht, mich zu wecken, und mich dann weiter schlafen gelassen.

 

Abdulqadir al-Gilani und Mussa al-Kazim

Nach dem Frühstück gingen wir zu Bab al-Sheich, wo ich endlich die Grabstätte sah, die ich schon immer besuchen wollte. Ich beeilte mich, als würde ich mich danach sehnen, ihn zu sehen und mich in seine Arme zu werfen. Mein Freund begleitete mich, wohin ich auch ging.

Ich mischte mich unter die anderen Besucher, welche sich um das Grab tummelten wie Pilger um die Kaaba. Einige von ihnen warfen Süßigkeiten, und die Pilger wetteiferten darum, eines zu erhaschen. Ich fing hastig zwei Stück, von denen ich eines sofort aß und das andere zur Erinnerung in meine Tasche steckte.

Ich betete dort, las ein paar einfache Bittgebete und trank von dem Wasser, als sei es vom heiligen Brunnen Zamzam. Ich bat meinen Freund, auf mich zu warten, weil ich meinen Freunden in Tunesien einige Ansichtskarten schreiben wollte, die ich dort gekauft hatte und auf denen die Grabstätte von Abdulqadir al-Gilani mit ihrer grünen Kuppel abgebildet war. Damit wollte ich meinen Freunden und Verwandten in Tunesien meine hohe Stellung beweisen, die sie nicht hatten.

Danach aßen wir in einem volkstümlichen Restaurant zu Mittag. Dann nahm mich mein Freund in einem Taxi zur sogenannten “al-Kazimiyya” mit, deren Namen ich nur kannte, weil ich hörte, wie er mit dem Fahrer darüber sprach.

Als wir dort ankamen und aus dem Taxi stiegen, befanden wir uns sofort inmitten einer großen Menschenmenge aus Frauen, Männern und Kindern, die in die selbe Richtung gingen wie wir. Jeder von ihnen trug etwas mit sich, was mich an die Wallfahrt erinnerte. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir gingen, bis ich ein Glänzen entdeckte, das von goldenen Kuppeln und Minaretten her kam. Mir wurde klar, das es sich um eine Moschee der Schi'iten handeln musste, da ich wusste, dass sie ihre Moscheen mit Gold und Silber schmücken, obwohl der Islam es verbietet. Beim Hineingehen fühlte ich mich nicht wohl, aber ich musste auf die Gefühle meines Freundes Rücksicht nehmen und folgte ihm deshalb.

Als wir durch die erste Tür gingen, bemerkte ich, wie ein paar alte Männer sie berührten und küssten. Dann sah ich eine große Tafel, auf der stand:

"Unverschleierten Frauen ist der Zutritt nicht erlaubt",

mit einem Ausspruch von Imam Ali:

"Es wird eine Zeit geben, da Frauen durchsichtige Kleidung tragen oder gar sich nackt zeigen."

Sobald wir an die Grabstätte gelangten, begann mein Freund, die Erlaubnis zum Eintreten zu rezitieren. Ich betrachtete das Tor und wunderte mich über das viele Gold und die unzähligen eingravierten Qur'an-Verse, die es zierten.

Mein Gefährte ging hinein, und ich folgte ihm nach. Schon bald waren meine Gedanken voll von Legenden, die ich in Büchern gelesen hatte, in welchen die Schi'iten als Ungläubige verurteilt werden. Im Inneren der Grabstätte sah ich Gravuren und Verzierungen, die ich nie zuvor gesehen hatte, und glaubte mich in einer unbekannten Welt. Ab und zu schaute ich angewidert zu jenen herüber, die weinend um das Grab herumgingen und dabei seine Balken und Ecken küssten, während andere in der Nähe des Grabes beteten. Plötzlich fiel mir der Hadith des Gesandten Allahs (s.) ein:

"Gott verfluche die Juden und Christen, welche die Gräber ihrer Heiligen zu Gebetsstätten machten."

Ich entfernte mich etwas von meinem Freund, der gleich nachdem er hineingegangen war, zu weinen begann, und ließ ihn in Ruhe beten. Ich trat an die Tafel heran, welche für die Besucher geschrieben war, und las sie. Ich konnte aber das meiste davon nicht verstehen, da es seltsame Namen enthielt, die ich nicht kannte. Ich ging in eine Ecke, las die Eröffnungssure des Qur'ans und bat Allah um Gnade für denjenigen, der in dem Grab lag, und sagte:

"Mein Gott, wenn dieser Tote ein Muslim war, so erbarme dich seiner, denn Du kennst ihn besser als ich."

Da näherte sich mein Freund und flüsterte mir ins Ohr:

"Falls du irgendein Bedürfnis hast, bitte Gott an diesem Ort darum, denn wir nennen ihn Bab al-Hawa‘ij, Tor der Bedürfnisse."

Ich schenkte ihm keine Aufmerksamkeit – Gott vergebe mir. Lieber schaute ich zu den alten Männern herüber, auf deren Köpfen sich weiße und schwarze Turbane befanden, und auf ihren Stirnen sah man die Zeichen ihrer vielen Niederwerfungen, mit ihren parfümierten Bärten und ihrer würdevollen Erscheinung. Und ein jeder von ihnen beginnt gleich zu weinen, sobald er hereinkommt. Ich fragte mich: "Können all diese Tränen Lügen sein? Können denn all diese betagten Männer Unrecht haben?"

Ich ging verwirrt hinaus, während mein Freund den Ort rückwärts gehend verließ, um seinen Respekt zu erweisen. Ich fragte ihn:

"Wer liegt in diesem Grab?"

Er antwortete: "Imam Mussa al-Kazim.”

Ich sagte: “Und wer war Imam Mussa al-Kazim?”

Er sagte: “Gepriesen sei Allah! Ihr, unsere sunnitischen Brüder, habt die Schale behalten und die Frucht weggeworfen!"

Ich erwiderte erzürnt: "In wie fern haben wir die Schale behalten und die Frucht weggeworfen?"

Er beruhigte mich und sagte: “Bruder, seit du dich im Irak befindest, erwähnst du unaufhörlich Abdulqadir al-Gilani. Wer ist schon Abdulqadir al-Gilani, dem du all deine Aufmerksamkeit schenkst?”

Sofort antwortete ich stolz: “Er ist ein Nachkomme des Propheten, und wenn es nach Muhammad einen Propheten gegeben hätte, wäre es Abdulqadir al-Gilani gewesen, möge Allah zufrieden mit ihm sein!"

Er sagte: “Bruder al-Samaoui, kennst du die islamische Geschichte?”

Ohne zu zögern antwortete ich mit Ja. Doch in Wahrheit wusste ich nur sehr wenig über die Geschichte des Islam, da unsere Lehrer uns immer daran gehindert hatten, etwas über sie zu erfahren. Sie erzählten uns, dass es sich bei der islamischen Geschichte um eine schwarze Geschichte handele, voller Unterdrückung, und dass kein Nutzen darin läge, sie zu lesen. Unser Rhetoriklehrer beispielsweise lehrte uns die Shiqshiqiyya-Predigt aus dem Buch Nahj al-Balagha von Imam Ali. Ich wunderte mich wie alle anderen Schüler und fragte unseren Lehrer, ob es sich dabei wirklich um die Worte des Imams Ali handelte. Der Lehrer antwortete: “Natürlich. Wer sonst beherrschte die Rhetorik so wie er? Und wenn es nicht seine Worte wären, hätten Gelehrte wie Scheich Muhammad Abduh, der Mufti von Ägypten, sich nicht bemüht, Kommentare dazu zu verfassen.” Da sagte ich: “Aber Imam Ali beschuldigt Abu Bakr und Omar, ihn seines Rechts auf das Kalifat (die Nachfolge des Propheten) beraubt zu haben."

Der Lehrer war außer sich vor Wut, drohte mir, mich aus der Klasse auszuschließen, falls ich noch einmal solch eine Frage stellte, und fügte hinzu: "Wir unterrichten hier Rhetorik und nicht Geschichte. Wir haben nichts zu tun mit einer Geschichte, deren dunkle Episoden von Unheil und blutigen Kriegen zwischen Muslimen berichten, und so wie Allah unsere Schwerter von ihrem Blut gereinigt hat, wollen wir unsere Zungen von ihrer Verurteilung rein halten.”

Ich war von der Begründung nicht überzeugt sondern empört über jenen Lehrer, der uns Rhetorik ohne Bedeutung lehrte. Ich versuchte oftmals, etwas über die Geschichte in Erfahrung zu bringen, aber ich hatte keine Chance, an die Schriften oder Bücher zu gelangen, die ich dafür benötigte. Auch wollte kein einziger von unseren Scheichs und Gelehrten mir helfen, eher schien es mir, als wären sich alle darin einig, dass es gar einer Überlegung nicht wert sei. Nicht einmal ein einziges historisches Buch konnte man bei ihnen finden.

Als mich mein Freund nach meinen Kenntnisse der Geschichte fragte, wollte ich ihm entgegenstehen und antwortete positiv, aber eigentlich war es so als würde ich sagen:

"Ich weiß, dass es eine schwarze, unterdrückerische Geschichte ist, in deren Lektüre kein Nutzen liegt. Nur Unheil, Hass und Widersprüche."

Er sagte: “Weißt du, wann Abdulqadir al-Gilani geboren wurde, in welchem Jahrhundert?"

Ich antwortete: "Ungefähr im sechsten oder siebten Jahrhundert (gemäß islamischer Zeitrechnung)."

Er sagte: “Und wie viel liegt zwischen ihm und Allahs Gesandtem (s.)?"

Ich sagte: "Sechs Jahrhunderte."

Er sagte: "Wenn wir für ein Jahrhundert zwei Generationen annehmen, könnte Abdulqadir al-Gilani über zwölf Großväter von Allahs Gesandtem abstammen."

Ich stimmte ihm zu, und er fuhr fort: “Und hier liegt Mussa Ibn Ja’far Ibn Muhammad Ibn Ali Ibn al-Hussein Ibn Fatima begraben. Zwischen ihm und seinem Großvater, dem Gesandten Allahs, lagen nur vier Generationen. Besser gesagt wurde er im zweiten Jahrhundert nach der Hidschra geboren. Also wer liegt näher an dem Propheten, Mussa oder Abdulqadir?”

Ohne zu überlegen antwortete ich: "Er ist natürlich näher. Aber weshalb kennen wir ihn nicht oder hören nie jemanden seinen Namen erwähnen?"

Er sagte: "Das ist der Grund, warum ich gesagt habe, dass ihr – entschuldige, wenn ich es wiederhole – die Schale behalten und die Frucht weggeworfen habt. Also nimm es mir bitte nicht übel. Ich entschuldige mich bei dir."

Wir gingen etwas und unterhielten uns dabei. Ab und an blieben wir stehen, bis wir schließlich an eine Ausbildungsstätte gelangten, in der Studenten und Lehrer saßen und Meinungen austauschten. Als wir uns dort niederließen, bemerkte ich, wie mein Freund begann, mit seinen Augen jemanden zu suchen, als hätte er einen Termin mit einem von ihnen vereinbart.

Einer der Delegierten kam und begrüßte uns. Aus ihrem Gespräch verstand ich, dass es sich um einen seiner Kollegen aus der Universität handelte und dass noch jemand in Kürze eintreffen würde. Mein Freund sagte zu mir:

"Ich bin mit dir hier her gekommen, um dich mit einem Spezialisten für historische Islamstudien bekannt zu machen, der als Professor an der Universität Bagdad fungiert. Seine Doktorarbeit handelte von Abdulqadir al-Gilani, was dir vielleicht von Nutzen sein wird, da ich nicht auf Geschichte spezialisiert bin.”

Wir tranken etwas kalten Saft, bis der Professor eintraf. Mein Freund erhob sich, um ihn zu begrüßen, und bat ihn, mir in Kurzform die Geschichte von Abdulqadir al-Gilani zu erzählen. Dann zog er sich zurück, um einige Dinge zu erledigen.

Der Professor bestellte für mich etwas kaltes zu Trinken und fragte mich nach meinem Namen, Herkunft und Beruf und bat mich, etwas über Abdulqadir al-Gilanis Bekanntheit in Tunesien zu berichten.

Ich gab ihm reichlich Informationen zu diesem Thema und erzählte ihm sogar, dass die Menschen bei uns glauben, dass Scheich Abdulqadir al-Gilani in der Nacht der Mi’raj (Himmelfahrt) Allahs Gesandten auf seinen Schultern trug, weil der Engel Gabriel aus Furcht zu verbrennen zu spät gekommen war. Der Prophet sprach zu ihm:

"Meine Füße sind auf deinen Schultern, und deine Füße werden bis zum Tage des Gerichts auf den Schultern aller Heiligen sein."

Als der Professor das hörte, musste er lachen, aber ich wusste nicht, ob er über die Erzählung lachte oder über den tunesischen Lehrer, der vor ihm saß. Nach einer kurzen Diskussion über die Heiligen und Rechtschaffenen sagte er, dass er über sieben Jahre hindurch nach Lahore in Pakistan, die Türkei, Ägypten, Großbritannien und allen Orten, an denen es Schriften gab, die auf Abdulqadir al-Gilani zurückzuführen waren, gereist war, um sie zu studieren und zu kopieren. Darin fand sich jedoch keinerlei Bestätigung dafür, dass Abdulqadir vom Gesandten Allahs abstammen könnte. Alles, was er fand, war ein Vers aus einem Gedicht seines Enkels, in welchem er sagt: "Bei meinem Großvater Rasulullah...", in Übereinstimmung mit der Auslegung des Ausspruches des Propheten (s.) durch die Mehrheit der Gelehrten: "Ich bin der Großvater jedes frommen Menschen".

Dann fügte er hinzu, "dass die Geschichtsforschung belege, dass Abdulqadir al-Gilani kein Araber gewesen sei sondern ursprünglich aus Persien stamme und in einer kleinen Stadt im Iran, genannt Gilan, geboren worden sei. Von dort zog er nach Bagdad, wo er studierte und sich in einer Zeit des moralischen Verfalls dort zum Unterrichten niederließ. Er war ein gottesfürchtiger Mann, und die Menschen mochten ihn. Nach seinem Tode gründete man den Qadiriyya-Orden zu seinem Gedenken, wie es stets alle Anhänger eines Mystikers zu tun pflegen.”

Dann sagte er: "Die Araber befinden sich diesbezüglich wirklich in einer bedauerlichen Situation."

Eine wahhabitische Hitzigkeit überkam mich, und ich sagte zum Professor: "Also sind Sie ideologisch gesehen ein Wahhabit, Herr Professor, denn die Wahhabiten sagen wie Sie, es gäbe keine Heiligen."

Er sagte: "Nein, ich vertrete nicht die Meinung der Wahhabiten. Es ist traurig, dass die Muslime zur Übertreibung und Nachlässigkeit neigen, und übertriebene Meinungen akzeptieren. Sie glauben an Legenden und Fabeln, die weder auf Logik basieren noch auf Verstand. Statt dessen glauben sie nicht an andere Dinge, und sie leugnen sogar Wunder und Überlieferungen (Ahâdith) unseres Propheten, wenn sie mit ihrer Einstellung oder Denkweise nicht vereinbar sind.

Die Sufis zum Beispiel glauben, Abdulqadir al-Gilani könne zur gleichen Zeit in Bagdad und Tunis sein, in Tunis einen Kranken heilen und im selben Moment in Bagdad einen Menschen vor dem Ertrinken im Fluss Tigris retten. Das ist eine Übertreibung.

Die Wahhabiten – im Gegensatz zu den Sufis – lehnen alles ab und bezeichnen es sogar als Polytheismus, wenn jemand den Propheten anfleht. Das ist Nachlässigkeit. Nein, mein Bruder, wir halten uns daran, was Allah, Der Erhabene, in Seinem Heiligen Buche sagt:

So erschufen Wir euch als eine gemäßigte Gemeinschaft, damit ihr Zeugen für die Menschheit seid." (Sure al-Baqara (2), Vers 143)

Mir gefiel sehr, was er sagte, und bedankte mich bei ihm. Ich brachte auch meine Zufriedenheit mit seiner Erklärung zum Ausdruck. Dann öffnete er seine Mappe und holte sein Buch über Abdulqadir al-Gilani heraus und schenkte es mir. Er lud mich auch zu sich ein, aber ich konnte die Einladung nicht annehmen, und so blieben wir sitzen und unterhielten uns über Tunesien und Nordafrika, bis mein Freund zurückkam. Wir hatten den gesamten Tag mit Besuchen und Diskussionen verbracht, bis wir des Nachts nach Hause gingen. Ich fühlte mich vollkommen erschöpft und gab mich dem Schlaf hin.

Ich erwachte früh morgens und begann, in dem Buch zu lesen, welches vom Leben des Abdulqadir handelt. Mein Freund wachte erst auf, als ich bereits die Hälfte gelesen hatte. Er forderte mich mehrmals auf, frühstücken zu kommen, doch ich kam nicht von dem Buch los, bis ich es durchgelesen hatte. Es hatte mich in seinen Bann gezogen und brachte mir Zweifel, die bis kurz vor meiner Ausreise aus dem Irak anhielten.

 

Zweifel und Befragung

Ich blieb drei Tage im Haus meines Freundes, um mich auszuruhen und gründlich über das nachzudenken, was ich von diesen Leuten gehört hatte, die ich entdeckt hatte und von denen ich glaubte, sie würden auf dem Mond leben. Warum hatte man uns nichts von ihnen erzählt außer hässliche Dinge, und warum sollte ich sie hassen und verurteilen, ohne sie zu kennen? Wahrscheinlich lag es an den Gerüchten über sie, dass sie Ali anbeten, ihre Imame als Gottheiten verehren, an die Wiedergeburt glauben, sich vor Steinen niederwerfen anstatt vor Allah, und dass sie an das Grab des Propheten kämen, wie mein Vater mir berichtete, als er von der Pilgerfahrt zurückkam, um Schmutz darauf zu werfen, so dass die Saudis sie davon abhalten müssten und schließlich hinrichten und so weiter und so fort.

Wie kann man sich als Muslim so etwas anhören und die Schi'iten dann nicht hassen und verabscheuen oder gar bekämpfen?!

Wie kann ich aber jetzt noch diesen Gerüchten Glauben schenken, wo ich doch mit meinen eigenen Augen das Gegenteil gesehen und es mit meinen eigenen Ohren gehört habe? Ich verbrachte mehr als eine Woche mit ihnen, und alles, was ich vernahm, waren auf Logik basierende Aussagen. Ich wurde bezaubert von ihren Gottesdiensten, ihren Gebeten, Manieren und dem Respekt vor ihren Gelehrten, bis ich mir wünschte, einer von ihnen zu sein.

Dennoch fragte ich mich des öfteren: “Ist es wahr, dass sie Allahs Gesandten hassen?”

Aber jedes Mal, wenn ich seinen Namen erwähnte – zuweilen auch, um sie zu testen – riefen sie mit lauter Stimme:

"Allahumma salli ala Muhammad wa ali Muhammad!"
(sinngemäß: Frieden sei mit ihm und mit den Reinen seiner auserwählten Familie).

Zu Anfang dachte ich, sie seien Heuchler, doch später änderte ich meine Meinung, nachdem ich ihre Bücher durchgeblättert hatte, in welchen ich nur Hochachtung und Verehrung für den Gesandten vorfand, wie ich sie von unseren Büchern her nicht einmal kannte. Sie glauben an seine (s.) absolute Unfehlbarkeit, sowohl vor Beginn seiner Prophetenschaft als auch danach, während wir, die Ahl al-Sunna wa al-Jama‘a (Sunniten), ihn lediglich für fehlerfrei in Bezug auf die Vermittlung des Qur'ans halten. In jeder anderen Hinsicht gilt er als gewöhnlicher Mensch, der Fehler macht, wie alle anderen. Oftmals berufen wir uns darauf, dass einige seiner Gefährten ihn des Öfteren korrigieren mussten, wozu uns zahlreiche Beispiele vorliegen. Die Schi'iten hingegen lehnen es ab, Allahs Gesandten für einen Menschen, der Fehler begeht und verbessert werden muss, zu halten. Wie kann ich danach noch annehmen, sie würden ihn (s.) hassen?

Eines Tages unterhielt ich mich mit meinem Freund Mun‘im und bat ihn, mir offen zu antworten. Das Gespräch verlief wie folgt:

“Ihr Schi'iten gesellt Ali – Allah sei zufrieden mit ihm und ehre sein Antlitz – die Position der Propheten zu. Immer wenn ihr seinen Namen erwähnt, fügt ihr ‚alaihi-s-salam‘ (Der Friede sei mit ihm) hinzu".

- "In der Tat sagen wir ‚alayhi-s-salam’, wenn wir Amir al-Mu’minin1 Ali oder einen der Imame unter seinen Nachkommen (der Friede sei mit ihnen) erwähnen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie Propheten sind. Vielmehr sind sie die Nachkommen des Propheten (s.), und Allah hat uns in Seiner Offenbarung auferlegt, sie zu segnen. Somit ist es uns sogar erlaubt zu sagen: ‚alayhim-al-salatu was-salam’ (Frieden und Segen sei mit ihnen).

(1Befehlshaber der Gläubigen)

"Nein, Bruder, wir akzeptieren keinen Segens- oder Friedenswunsch außer für Allahs Gesandten und die Propheten vor ihm. Ali und seine Nachkommen – möge Allah zufrieden mit ihnen sein – haben damit nichts zu tun.”

- "Ich würde dich bitten, mehr zu lesen, damit du die Wahrheit erfährst."

"Welche Bücher soll ich denn lesen, Bruder? Warst du nicht derjenige, der sagte, dass die Bücher von Ahmad Amin kein Argument gegen die Schia darstellen? Ebenso sind auch die Bücher der Schi'iten kein Argument gegen uns, da wir uns nicht auf sie berufen. Weißt du nicht, dass die authentischen Bücher der Christen aussagen, Jesus (der Friede sei mit ihm) hätte behauptet, der Sohn Gottes zu sein, während der Qur'an, der die absolute Wahrheit enthält, berichtet, wie Jesus, Sohn der Maria, sagte:

"Ich habe ihnen nur das gesagt, was Du mir befohlen hattest, dass sie Allah dienen sollen, meinem Herrn und ihrem Herrn." (Sure al-Ma‘ida (5), Vers 117)

- "Schön gesagt! Das ist es, was ich meinte und von dir will. Den Verstand und Logik zu benutzen. Man kann mit Qur'an und authentischer Sunna argumentieren, solange man sich unter Muslimen befindet. Wenn man mit Juden oder Christen diskutiert, muss man auf andere Weise argumentieren."

"In welchem Buch werde ich also die Wahrheit erfahren? Jeder Autor, jede Gruppe und jede Glaubensrichtung behauptet von sich selbst, auf der Seite der Wahrheit zu stehen."

- "Ich werde dir nun einen greifbaren Beweis zu Gemüte führen, über den die Muslime sich nicht uneinig sind, ganz gleich welcher Glaubensrichtung oder Gruppe sie angehören. Doch trotzdem kennst du ihn nicht!"

"Ich bitte dich darum."

- "Hast du die Interpretation des Verses: ‚Wahrlich, Allah und Seine Engel segnen den Propheten. O ihr Gläubigen! Sprechet Segen aus über ihn und grüßet ihn, wie es sich gehört!(Sure al-Ahzab (33), Vers 56) gelesen?

Die Kommentatoren des Qur'ans – Sunniten wie Schi'iten – sind sich darin einig, dass die Gefährten, an welche dieser Vers sich richtet, zu Allahs Gesandtem gingen und ihn fragten: ‚O Gesandter Allahs! Sag uns, wie wir dich grüßen und segnen sollen.’ Er sagte: ‚Sprecht: Allahumma salli ala Muhammad wa ali Muhammad kama sallayta ala Ibrahim wa ali Ibrahim fil-alamin. Innaka hamidun majid. Und sprecht keinen unvollständigen Segen über mich aus.’ Sie sagten: ‚Und was ist ein unvollständiger Segen, o Allahs Gesandter?’ Er antwortete: ‚Wenn ihr sprecht: Allahumma salli ala Muhammad, und nichts weiter. Wahrlich, Allah ist vollkommen und akzeptiert nur das Vollkommene!’

Und dadurch erfuhren die Gefährten und ihre Nachfolger (Tabi’in) den Befehl des Gesandten, dass sie einen vollständigen Segen über ihn aussprechen sollten, und sogar Imam Shafi’i sagte über sie:

Ya ala bayti Rasulillahi hubbukum

Fardun min Allahi fil-Qur’ani anzalah

Kafakum min ‘azimi-sh-sha’ni annakum

Man lam yusalli alaykum la salata lah

- – -

O Familie des Gesandten Gottes, euch zu lieben

hat Allah im Qur'an zur Pflicht gemacht.

Es genügt euch an Vorzüglichkeit,

dass ohne Gebet ist verblieben,

wer euch zu segnen nicht hat bedacht."

Seine Worte bohrten sich in mein Herz und fanden in mir ein bestätigendes Echo. Tatsächlich hatte ich früher einmal irgendwo etwas Ähnliches gelesen, aber erinnerte mich nicht, in welchem Buch genau. Ich bestätigte ihm, dass wir, wenn wir den Segen aussprechen, den Propheten segnen und seine Familie und sämtliche Gefährten, indem wir sagen: Sall Allahu alayhi wa alihi wa sahbihi ajma‘in ("Allah segne ihn und seine Familie und all seine Gefährten"). Bei Alis Erwähnung sagen wir aber nicht ‚alaihi-s-salam’ wie die Schi'iten.

Er fragte: “Und was ist deine Meinung über al-Bukhari? War er ein Schi'it?”

Ich sagte: "Er war einer der erhabensten Imame der Ahl al-Sunna wa al-Jama‘a, und sein Buch ist das authentischste Buch nach dem Qur'an."

Im selben Moment stand er auf und holte aus seiner Bibliothek das Buch Sahih al-Bukhari, öffnete es und suchte nach der entsprechenden Seite. Dann gab er es mir, damit ich die Stelle lese:

"...berichtete uns ... von ... von Ali (a.)..."

Ich glaubte meinen Augen nicht und zweifelte sogar daran, dass es sich bei dem Buch wirklich um al-Bukhari handelte. Ich war verwirrt und las erneut die Stelle und auch die Umschlagseite. Als mein Freund meine Zweifel bemerkte, nahm er mir das Buch ab und schlug eine andere Seite auf, wo stand:

"...berichtete uns Ali Ibn al-Hussein (alayhima-s-salam)..."

Alles, was ich dazu sagen konnte, war: “Gepriesen sei Allah!”

Dann war er zufrieden und ging hinaus. Ich blieb, um zu überlegen und um die Stellen immer wieder zu lesen. Ich überzeugte mich von dem Druck des Buches und fand heraus, dass es vom Verleger "Halabi und Söhne" in Ägypten herausgegeben worden war.

Mein Gott! Wieso bin ich noch hochmütig und widerspenstig, obwohl er mir den absoluten Beweis in dem Buch gezeigt hat, das bei uns als authentischstes Buch neben dem Qur'an gilt? Al-Bukhari war durchaus kein Schi'it. Er war ein Imam und Historiker der Ahl al-Sunna.

Soll ich mich nun der Tatsache hingeben, dass sie "Ali (a.)" sagen? Aber ich habe Angst vor dieser Wahrheit und fürchte, dass ihr noch andere Wahrheiten folgen könnten, die ich ungern akzeptieren würde.

Schließlich habe ich bereits zwei Niederlagen vor meinem Freund erlitten, und auch von der Bewunderung des Abdulqadir al-Gilani habe ich abgelassen und zugegeben, dass Mussa al-Kazim ihr würdiger sei. Ich habe auch zugegeben, dass Ali (der Friede sei mit ihm) ihr würdig sei. Ich will jedoch nicht noch eine Niederlage erleiden. War ich doch derjenige welche, der seit Kurzem in Ägypten als Gelehrter galt, stolz auf sich selbst und von den Ulema von al-Azhar gerühmt.

Heute fühlte ich mich besiegt. Aber durch wen? Durch den, der ich war, als ich glaubte, die Schi'iten seien im Unrecht, und daran gewöhnt war, das Wort "Schi'it" als Beleidigung aufzufassen?

Mein Freund kehrte nach Hause zurück, und als er mich sah, wie ich zu Gott um Rechtleitung betete, sagte er lächelnd:

"Möge Allah uns und euch und alle Muslime den rechten Weg zeigen. Spricht Er doch in Seinem Buche: ‚Und jene, die sich für Unsretwillen bemühen. Sie führen Wir Unsere Wege. Allah ist mit den Rechtschaffenen’ (Sure al-Ankabut (29), Vers 69). Die Bemühung in diesem Vers bedeutet die Suche nach Wissen, um zur Wahrheit zu gelangen. Und Allah, Der Gepriesene, führt jeden zur Wahrheit, der nach ihr sucht.

 

Die Fahrt nach al-Najaf

An jenem Abend sagte mir mein Freund, dass wir am darauffolgenden Tag nach al-Najaf fahren würden, wenn Gott will. Ich fragte ihn, was al-Najaf denn sei. Er antwortete:

“Es ist eine Stadt der Wissenschaften, in welcher sich das Grab von Imam Ali Ibn Abi Talib befindet.”

Ich war überrascht, wie es möglich sein konnte, dass das Grab von Ali bekannt war. Denn unsere Scheichs hatte uns immer gesagt, dass Alis Grab unbekannt sei.

Wir fuhren im Bus nach al-Kufa, wo wir die Moschee von Kufa besichtigten, welche zu den bedeutendsten islamischen Denkmälern zählt. Mein Freund zeigte mir die geschichtsträchtigen Orte und führte mich zur Moschee von Muslim Ibn Aqil und Hani Ibn Urwa. Dort erzählte er mir kurz, wie die beiden den Märtyrertod starben und ließ mich die Gebetsnische sehen, in der Imam Ali die Verletzung zugefügt worden war, an der er starb. Danach besuchten wir das Haus, in welchem der Imam mit seinen Söhnen Hassan und Hussein wohnte. In dem Haus befindet sich auch der Brunnen, von dessen Wasser sie zu trinken pflegten und die Gebetswaschung vornahmen.

Ich erlebte dort spirituelle Augenblicke, in denen ich die ganze Welt vergaß und die Weltentsagung des Imams und die Bescheidenheit seines Daseins erlebte, obwohl er der Fürst der Gläubigen und der Vierte der rechtgeleiteten Kalifen war.

Ich möchte auch die Gastfreundlichkeit und Bescheidenheit erwähnen, der ich in Kufa begegnete. Wir kamen an keiner Gruppe vorbei, ohne dass man aufstand und uns begrüßte. Es schien, als kannte mein Freund die meisten von ihnen, und einer davon – der Direktor des Instituts von al-Kufa – lud uns zu sich nach Hause ein, wo wir seine Kinder kennen lernten und übernachteten, nachdem wir gemeinsam einen schönen Abend verbracht hatten. Ich fühlte mich wie in meiner eigenen Familie. Jedes Mal, wenn sie über die Sunniten sprachen, sagten sie "unsere sunnitischen Brüder". Ich genoss die Unterhaltung mit ihnen und stellte ihnen einige prüfende Fragen, um mich von ihrer Ernsthaftigkeit zu überzeugen.

Wir fuhren nach al-Najaf, das ungefähr zehn Kilometer von Kufa entfernt liegt. Als ich die goldenen Minarette sah, welche eine Kuppel aus purem Gold umgaben, erinnerte ich mich an die Kazimiyya. Nachdem wir ein spezielles Gebet um Erlaubnis zum Hineingehen rezitiert hatten, betraten wir das Heiligtum des Imams. Darin sah ich noch seltsamere Dinge als ich in der Moschee von Mussa al-Kazim gesehen hatte.

Wie gewöhnlich blieb ich stehen und rezitierte die erste Sure des Qur'ans, zweifelnd, dass dieses Grab tatsächlich den Leichnam von Imam Ali enthalten sollte. Die Bescheidenheit des von ihm bewohnten Hauses in al-Kufa hatte mich so sehr beeindruckt, dass ich mir sagte: “Auf keinen Fall wäre Imam Ali erfreut über diesen Prunk aus Gold und Silber, während die Muslime auf der ganzen Welt vor Hunger sterben."

Besonders als ich auf dem Weg Bettlern begegnete, die ihre Hände nach Almosen ausstreckten, sagte mir meine innere Stimme:

“Ihr Schi'iten solltet doch zumindest zu diesem Irrtum stehen: Imam Ali war doch von Allahs Gesandtem geschickt worden, die Gräber dem Erdboden gleich zu machen. Wozu also diese mit Gold und Silber geschmückten Gräber? Wenn sie schon keine Vergötterung darstellen, sind sie aber immer noch ein schwerer Fehler, den der Islam nicht verzeiht."

Mein Freund reichte mir ein Stück trockener Erde und fragte mich, ob ich beten wolle. Ich antwortete abweisend:

"Wir beten nicht in der Nähe von Gräbern."

Er sagte: "Dann warte kurz, bis ich gebetet habe."

Während ich auf ihn wartete, las ich das Schild an der Wand der Grabstätte und schaute zwischen den gravierten Pfeilern aus Gold hindurch hinein. Es war voll und ganz bedeckt mit Geldnoten und Münzen verschiedenster Herkunft wie Dirham, Riyal, Dinar und Pfund, welche die Pilger hineinwerfen, um das wohltätige Projekt im Zusammenhang mit der Grabstätte zu unterstützen. In Anbetracht der großen Anhäufung hielt ich es für die Ausbeute mehrerer Monate, doch mein Freund erzählte mir im Nachhinein, dass die Verantwortlichen für die Reinigung des Mausoleums es jeden Abend nach dem Nachtgebet lehren.

Ich folgte meinem Freund verwundert hinaus und wünschte mir, sie hätten mir einen Teil des Geldes gegeben oder unter den Armen und Bedürftigen verteilt, derer es bei ihnen so viele gibt.

Ich sah mich an dem Ort um, der von einer Mauer umgeben war, und hier und dort betete eine Gruppe, andere hörten den Predigern auf den Kanzeln zu, während wiederum andere trauernd zu weinen schienen. Ich sah eine Gruppe von Weinenden, die sich auf den Brustkorb schlugen, und wollte meinen Freund fragen, weshalb sie weinen und sich auf die Brust schlagen. In diesem Moment zog eine Beerdigungszeremonie an uns vorbei, und ich sah, wie einige von ihnen in der Mitte des Platzes eine Marmorplatte entfernten, um den Leichnam dort niederzulassen. Dies veranlasste mich zu glauben, dass jene um den Verstorbenen weinten, den sie gern gehabt hatten.

 

Ein Treffen mit den Gelehrten (Ulema)

Mein Freund nahm mich mit in eine neben dem Mausoleum gelegene Moschee, deren Boden vollkommen mit Gebetsteppichen ausgelegt war und in deren Gebetsnische eingravierte Qur'an-Verse in Schönschrift zu sehen waren. Meine Aufmerksamkeit fiel auf eine Gruppe Jugendlicher mit Turbanen, die nahe der Gebetsnische saßen und in ihren Büchern schmökerten. Ich war beeindruckt durch diesen schönen Anblick, denn ich hatte noch nie zuvor solch junge Scheichs gesehen wie diese Knaben, deren Alter ich auf zwischen dreizehn und sechzehn Jahren schätzte. Was ihrem Anblick noch mehr Schönheit verlieh, war ihre traditionelle Kleidung, die sie wie Monde aussehen ließ.

Mein Freund fragte sie nach dem "Sayyid", und sie antworteten ihm, er sei gerade dabei, mit der Gemeinde zu beten. Ich verstand nicht, was er mit "der Sayyid" meinte, bis auf, dass er wohl einer von den Gelehrten sein musste. Später erfuhr ich, dass es sich um Sayyid al-Khu’i handelte, den Vorsitzenden der schi'itischen Lehranstalt.

Es ist erwähnenswert, dass den Beinamen "Sayyid" bei den Schi'iten jeder erhält, dessen Herkunft auf den Propheten (s.) zurückzuführen ist. Ein gelehrter Sayyid oder Theologiestudent trägt einen schwarzen Turban, wohingegen alle anderen Gelehrten weiße Turbane tragen und "Scheichs" genannt werden. Daneben gibt es auch noch die “al-Ashraf”, die zwar keine Gelehrten sind aber grüne Turbane tragen.

Mein Freund bat sie, sich mit mir zusammenzusetzen, solange er den "Sayyid" suchen ging. Sie begrüßten mich und setzten sich im Halbkreis um mich. Ich schaute in ihre Gesichter und sah ihre Unschuld und ihren guten Willen. Da erinnerte ich mich an einen Hadith des Propheten (s.), in dem er sagte:

"Wird ein Mensch geboren, erziehen ihn seine Eltern entweder zum Juden, Christen oder Heiden."

"– oder zum Schi'iten", sagte ich mir selbst.

Sie fragten mich, aus welchem Land ich käme, und ich sagte:

"Aus Tunesien."

Sie fragten: "Gibt es bei euch Islamschulen?"

Ich antwortete ihnen: "Es gibt bei uns Universitäten und Schulen."

Von da an regnete es präzise und komplizierte Fragen von allen Seiten. Doch was sollte ich diesen unschuldigen Knaben sagen, die glaubten, dass es in der gesamten islamischen Welt Bildungsstätten gebe, in welchen Glaubensgrundlagen, Scharia, islamische Rechtswissenschaften und Interpretation von religiösen Texten gelehrt wird? Sie ahnten ja nicht, dass wir in der islamischen Welt, insbesondere in den fortschrittlichen und entwickelten Ländern, die Qur'an-Schulen gegen Kindergärten ausgetauscht haben, welche von christlichen Nonnen betreut werden. Sollte ich ihnen etwa sagen, dass sie im Vergleich zu uns als "zurückgeblieben" galten?

Einer von ihnen fragte mich: "Welche Glaubensrichtung befolgt man in Tunesien?"

Ich antwortete: “Die malikitische Glaubensrichtung.”

Ich bemerkte, wie ein paar von ihnen lachten, doch kümmerte mich nicht darum.

Er fragte: "Kennt ihr nicht die ja‘faritische Glaubensrichtung?"

Ich erwiderte: "Diesen Namen höre ich zum ersten Mal. Nein, wir kennen nur die vier sunnitischen Glaubensrichtungen. Alles andere hat mit dem Islam nichts zu tun."

Er lächelte und sagte: "Verzeihung, aber bei der ja‘faritischen Glaubensrichtung handelt es sich um den wahren Islam. Wissen Sie nicht, dass Imam Abu Hanifa unter Imam Ja‘far al-Sadiq studierte? Und kennen Sie nicht den Ausspruch von Abu Hanifa: ‚Ohne die beiden Jahre (bei Imam al-Sadiq) wäre al-Nu‘man verloren gewesen‘"?

(Der volle Name Abu Hanifas war "An-Nu‘man Ibn Thabit Abu Hanifa")

Ich schwieg, da ich nicht zu antworten vermochte. Hatte er doch einen Namen erwähnt, den ich noch nie gehört hatte. Aber ich dankte Gott dafür, dass er – nämlich ihr Imam Ja‘far al-Sadiq – nicht auch der Lehrmeister des Imam Malik gewesen war und sagte schließlich, dass ich Malikit sei und nicht Hanafit.

Darauf erwiderte er: "Die vier Rechtsschulen lernten voneinander. So lernte Ahmad Ibn Hanbal von al-Shafi‘i, al-Shafi‘i lernte von Malik, Malik lernte von Abu Hanifa, und Abu Hanifa lernte von Ja‘far al-Sadiq. Somit waren sie allesamt Schüler von Ja‘far Ibn Muhammad al-Sadiq, dem Ersten, der eine islamische Hochschule in der Moschee seines Großvaters, dem Gesandten Allahs, gründete, wo mehr als vier Tausend Menschen unter ihm studierten, um sich zum Überlieferer oder Rechtsgelehrten ausbilden zu lassen."

Ich war erstaunt über diesen cleveren Burschen, der das, was er sagte aufsagte wie unsereins eine Sure aus dem Qur'an aufsagt. Aber ich staunte noch mehr, als er mir einige historische Werke nannte, deren Umfang an Bänden und Kapiteln er kannte, und sich in einer intensiven Unterhaltung mit mir leicht tat wie ein Lehrer, der seinen Schüler unterrichtet. Ich fühlte mich ihm gegenüber machtlos und wünschte mir, zuvor mit meinem Freund fortgegangen zu sein anstatt bei den Knaben zu bleiben. Auf keine einzige ihrer Fragen zu islamischem Recht oder Geschichte vermochte ich zu antworten.

Er fragte mich: "Welchen von den Imamen ahmen Sie nach?"

Ich sagte: “Imam Malik.”

Er sagte: "Wie können Sie einen Verstorbenen nachahmen, wo doch zwischen Ihnen und ihm vierzehn Jahrhunderte liegen? Würde er Ihnen antworten, wenn Sie ihn jetzt zu einem aktuellen Problem befragen?"

Ich überlegte kurz und sagte: "Aber dein Ja‘far ist auch schon seit vierzehn Jahrhunderten tot. Wen ahmst du nach?"

Ohne zu zögern antworteten er und die anderen: "Wir ahmen Sayyid al-Khu‘i nach. Er ist unser Imam.”

Ich verstand nicht, wer gebildeter sein sollte – Ja‘far al-Sadiq oder al-Khu‘i. Jedenfalls blieb ich bei ihnen und versuchte, das Thema zu wechseln, indem ich sie alles Mögliche fragte, um sie davon abzuhalten, mich weiter auszufragen. So fragte ich sie nach al-Najafs Einwohnerzahl und wie weit es von Bagdad entfernt liege und ob sie andere Länder außer dem Irak kannten. Und jedesmal, wenn sie antworteten, stellte ich ihnen eine andere Frage, damit sie beschäftigt waren, denn ich war ihnen nicht gewachsen.

Ich konnte es jedoch unmöglich zugeben, auch nicht, wenn ich mir innerlich eingestand, dass all der Ruhm und die Ehre und das Wissen, welche mich in Ägypten so stolz werden ließen, unbegründet waren. Ich stellte mir vor, dass der Horizont jener Knaben größer sei als der jener Scheichs, welche ich in Kairo getroffen hatte, und größer als der Horizont unserer Gelehrten in Tunesien.

Sayyid al-Khu‘i traf mit einer Gruppe würdevoll aussehender Gelehrter ein. Die Knaben standen auf, und ich tat es ihnen gleich. Sie gingen zum "Sayyid" und küssten seine Hand. Ich blieb wie festgenagelt stehen. Der "Sayyid" nahm erst Platz, nachdem sich alle hingesetzt hatten, und begrüßte uns mit einem: "Guten Abend!" Auf diese Weise begrüßte er jeden Einzelnen, und sie antworteten ihm auf dieselbe Weise.

Als ich an der Reihe war, antwortete ich ihm, wie ich es bei den anderen gehört hatte. Danach gab mein Freund, der flüsternd mit dem "Sayyid" sprach, mir ein Zeichen, dass ich mich rechts neben den "Sayyid" setzen solle. Nach einer erneuten Begrüßung sagte mein Freund zu mir:

"Erzähle dem Sayyid, was man in Tunesien über die Schi'iten hört!"

Ich sagte: "Bruder, genug der Geschichten, die wir hier und dort hören. Wichtig ist, dass ich selbst weiß, was die Schi'iten sagen. Jedoch habe ich einige Fragen, auf die ich offene Antworten erwarte."

Aber mein Freund bestand darauf, dass ich dem Sayyid berichte, wie wir über die Schia denken. Also sagte ich:

"Die Schia gilt bei uns im Bezug auf den Islam als schlimmer als die Juden und Christen, welche immerhin Gott dienen und an Mose – Friede sei mit ihm – Prophetenschaft glauben, während wir über die Schi'iten hören, dass sie Ali anbeten und verherrlichen, und dass es unter ihnen eine Gruppe gibt, die zwar Gott dient aber Ali die Position des Gesandten Allahs zugesellt. Man erzählt sich, der Engel Gabriel hätte seinen Auftrag verfehlt und das Prophetentum anstatt Ali an Muhammad (s.) überbracht."

Der Sayyid senkte für eine Weile seinen Kopf, dann sah er mich an und sagte: “Wir bekennen, dass es keine Gottheit gibt außer Allah, und dass Muhammad Allahs Gesandter ist – Allah segne ihn und seine gute und reine Familie und schenke ihnen Heil. Und Ali ist nicht mehr als ein Diener Gottes.”

Danach wandte er sich den übrigen Anwesenden zu und sagte: "Schaut wie die erlogenen Gerüchte diese unschuldigen Menschen irregeführt haben. Aber das ist noch gar nichts, denn ich habe schon Schlimmeres von anderen Personen gehört. Es gibt keine Macht und Stärke außer bei Allah, Dem Hohen und Mächtigen!”

Nun wandte er sich mir zu und fragte: "Haben Sie den Qur'an gelesen?"

Ich antwortete: "Ich kannte ihn bereits zur Hälfte auswendig, als ich nicht einmal zehn Jahre alt war."

Er fragte: "Wissen Sie, dass sämtliche islamischen Gruppen oder Glaubensrichtungen den Qur'an anerkennen wie er ist, und dass der uns vorliegende Qur'an mit dem euch vorliegenden identisch ist?"

Ich sagte: "Ja, das weiß ich."

Er sagte: “Also haben Sie auch Allahs erhabene Worte gelesen:

Und Muhammad ist nur ein Gesandter, vor ihm waren schon Gesandte da, (Sure Ali Imran (3), Vers 144)

und

Muhammad ist Allahs Gesandter, und die mit ihm sind, sind stark gegen die Ungläubigen, (Sure al-Fat’h (48), Vers 29)

und

Muhammad ist nicht der Vater eines eurer Männer sondern Allahs Gesandter und das Siegel der Propheten." (Sure al-Ahzab (33), Vers 40)

Ich erwiderte: "Natürlich kenne ich diese Verse."

Er sagte: “Und wo wird Ali darin erwähnt? Wenn unser Qur'an aussagt, dass Muhammad Allahs Gesandter ist, woher kommt dann diese Lüge?"

Ich sagte nichts dazu. Er fügte hinzu: "Was Gabriels verfehlten Auftrag betrifft – Gott behüte! Das ist noch hässlicher als die erste Anschuldigung! Denn als der allmächtige Gott den Engel Gabriel zu Muhammad schickte, war Muhammad vierzig Jahre alt, während Ali ein kleiner Junge von sechs oder sieben Jahren war. Sagen Sie mal, wie soll Gabriel zwischen Muhammad, dem Mann, und Ali, dem Knaben, nicht unterschieden haben können?”

Danach sagte er längere Zeit nichts, während ich über seine Worte nachdachte, den Kopf gesenkt und versuchend, die Logik zu verarbeiten, welche sich auf mein tiefstes Inneres auswirkte und einen Schleier von meinem Verstand hob. Ich fragte mich, weshalb wir uns nicht selbst solch einer Logik bedient hatten.

Sayyid al-Khu‘i sagte schließlich: “Ich möchte noch dazu sagen, dass die Schia die einzige unter den islamischen Glaubensrichtungen ist, die an die Unfehlbarkeit der Propheten und Imame glaubt. Und wenn schon unsere Imame – Allah schenke ihnen Frieden – unfehlbare Menschen sind, ist es Gabriel, Allahs vertrauter Engel, erst recht. Deshalb nennt ihn Gott Der Erhabene ‚ar-Ruh al-Amin‘ – der zuverlässige Geist."

Ich fragte: "Woher kommt all diese Anti-Propaganda?"

Er antwortete: "Von den Feinden des Islam, welche die Muslime auseinander bringen und zerreißen wollen, damit sie sich gegenseitig bekämpfen. Dennoch bleiben die Muslime Brüder – seien sie Schi'iten oder Sunniten – denn sie dienen Gott allein und gesellen Ihm nichts bei. Und ihr Qur'an ist derselbe Qur'an, und ihr Prophet ist derselbe Prophet, und ihre Gebetsrichtung ist dieselbe Gebetsrichtung. Darin sind sich Schia und Sunna einig, wohingegen sie in der islamischen Rechtsprechung verschiedene Meinungen haben wie auch die vier sunnitischen Schulen selbst untereinander uneins sind. So widerspricht beispielsweise Malik dem Abu Hanifa, und Abu Hanifa widerspricht Shafi‘i usw.”

Ich sagte: "Also ist alles, was über euch erzählt wird, nichts als Verleumdung."

Er sagte: "Gott sei Dank sind Sie verständig und begreifen die Dinge. Nun haben Sie von Schi'iten bewohntes Gebiet bereist. Haben Sie irgend etwas gesehen oder gehört, was jene Lügen bestätigen könnte?"

Ich sagte: "Nein, ich habe nur Gutes gehört und gesehen, und ich preise Gott dafür, dass Er mich auf dem Schiff Mun‘im begegnen ließ, denn er ist der Grund dafür, dass ich den Irak besuche. Hier habe ich viele Dinge kennengelernt, die ich vorher nicht kannte."

Da lachte mein Freund Mun‘im und sagte: "Wie zum Beispiel Imam Alis Grab.”

Ich zwinkerte ihm zu und berichtigte ihn: "Genauer gesagt habe ich sogar von diesen jungen Knaben Neues gelernt, und ich wünschte, genauso wie sie die Gelegenheit zu haben, hier in einer Islamschule zu studieren."

Der Sayyid sagte: "Sie sind willkommen! Wenn Sie in der Tat studieren möchten, steht unsere Einrichtung in Ihrer Schuld und wir zu Ihren Diensten."

Die Anwesenden begrüßten diesen Vorschlag, und besonders mein Freund strahlte über das ganze Gesicht.

Ich sagte: "Ich bin aber verheiratet und habe zwei Söhne."

Er erwiderte: "Wir kommen für alle Notwendigkeiten wie Unterkunft und Verpflegung auf. Wichtig ist allein das Studium."

Ich überlegte kurz und dachte mir, es wäre nicht klug, noch einmal Schüler zu werden, nachdem ich fünf Jahre lang die Jugend unterrichtet und ausgebildet hatte. Es war auch nicht so einfach, in solch kurzer Zeit einen Entschluss zu fassen. Ich bedankte mich bei Sayyid al-Khu‘i für sein Angebot und versprach ihm, nach meiner Rückkehr von der kleinen Pilgerfahrt ernsthaft über dieses Thema nachzudenken, und sagte ihm, dass ich einige Bücher benötigte.

Der Sayyid sagte: "Gebt ihm die Bücher!" Da standen einige der Gelehrten auf und öffneten mehrere Truhen. Nur wenige Augenblicke danach fand ich vor mir mehr als siebzig Bände, und jeder Einzelne kam mit ein paar Büchern zu mir und sagte: "Dies ist mein Geschenk an dich."

Ich erkannte, dass es mir nicht möglich war, diese Anzahl zu transportieren, insbesondere weil ich in Begriff war, nach Saudi-Arabien zu reisen, wo es verboten ist, Bücher einzuführen, weil man dort die Verbreitung von Gedankengut fürchtet, das ihrer Lehre widerspricht. Trotzdem wollte ich nicht verzichten auf diese Bücher, welche meine Augen nie zuvor erblickt hatten. Also sagte ich zu meinem Freund und den Anwesenden, dass mein Reiseweg sehr lang sei und über Damaskus und Jordanien nach Saudi-Arabien führe, und dass der Rückweg noch länger sein werde, da ich über Ägypten und Libyen nach Tunesien fahren werde. Zusätzlich zum hohen Gewicht der Last würden die meisten Länder die Einfuhr von Büchern verbieten.

Der Sayyid sagte: "Hinterlassen Sie uns ihre Adresse, damit wir uns um die Zusendung der Bücher an Sie kümmern können."

Diese Idee gefiel mir, und so gab ich ihm eine Visitenkarte mit meiner Adresse in Tunesien. Ich dankte ihm für seine Freundlichkeit und verabschiedete mich von ihm. Als ich mich erhob, um zu gehen, stand er ebenfalls auf und sagte:

“Ich werde Allah bitten, Sie wohl zu behalten. Und wenn Sie am Grabe meines Großvaters, Allahs Gesandtem, stehen, richten Sie ihm bitte meine Grüße aus.”

Die Anwesenden waren bewegt, und auch ich war sehr gerührt durch diese Worte. Und als ich die Tränen in seinen Augen sah, dachte ich mir: "Unmöglich, bei Gott, dass er ein Abtrünniger oder Lügner sein soll." Seine Würde, seine Erhabenheit und Bescheidenheit zeugten davon, dass er wahrhaftig ein Nachkomme des Propheten (s.) war. Ich konnte nicht anders als seine Hand zu nehmen und sie zu küssen, obwohl er sich dagegen sträubte.

Als ich gehen wollte, standen alle gemeinsam auf, um sich von mir zu verabschieden. Einige der Jungen, mit denen ich gesprochen hatte, begleiteten mich und baten mich um meine Adresse, um mit mir in Kontakt zu bleiben, also gab ich sie ihnen gern.

Auf die Einladung eines Freundes von Mun‘im, Abu Shabbar, der bei Sayyid al-Khu‘is Sitzung anwesend war, fuhren wir wieder nach al-Kufa. Wir blieben in seinem Haus, wo wir eine ganze Nacht wach blieben und uns mit einer Gruppe frommer Jugendlicher unterhielten. Einige von ihnen waren Studenten von Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr. Sie schlugen ein Treffen mit ihm vor und versprachen mir, eines für den nächsten Tag zu organisieren. Meinem Freund Mun‘im gefiel dieser Vorschlag, bedauerte jedoch, nicht dabei sein zu können, da er in Bagdad etwas Wichtiges zu erledigen hatte. Wir einigten uns darauf, dass ich drei oder vier Tage im Hause von Abu Shabbar bleibe, bis Mun‘im zurückkäme.

Er verließ uns nach dem Morgengebet, als wir uns schlafen legten. Ich lernte viel von den Studenten und staunte sehr über die Vielfalt der Wissenschaften, die sie in der Bildungsstätte studierten. Neben den islamischen Wissenschaften studieren sie dort auch Wirtschaft, Soziologie, Politik, Geschichte, Sprachen, Astronomie und andere Fächer.

 

Ein Treffen mit Muhammad Baqir al-Sadr

Gemeinsam mit Herrn Abu Shabbar begab ich mich zum Haus von Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr. Auf dem Weg dorthin unterhielten wir uns nett. Er erzählte mir ausführlich von den angesehenen Ulema und dem Taqlid (Nachahmung der Gelehrten).

Als wir das Haus von Sayyid Baqir al-Sadr betraten, war es voll mit Studenten der islamischen Wissenschaften. Die meisten von ihnen waren junge Männer mit Turbanen. Der Sayyid erhob sich und begrüßte uns. Man stellte mich ihm vor, worauf er mich herzlich willkommen hieß und mich bat, neben ihm Platz zu nehmen. Sodann begann er, mich über Tunesien, Algerien und einige bekannte Gelehrte wie Khidr Hussein, Tahir Ibn Ashur und andere zu befragen.

Ich fühlte mich während unseres Gesprächs in keiner Weise unbehaglich angesichts der ihn umgebenden Würde und der Hochachtung, die seine Gäste ihm entgegenbrachten, als hätten wir uns schon vorher gekannt.

Ich zog großen Nutzen aus dieser Versammlung, weil ich die Fragen der Studenten und Antworten des Sayyids hören konnte. Dadurch lernte ich den Wert des Taqlids von lebendigen Gelehrten kennen, welche in aller Deutlichkeit aktuelle Probleme zu lösen wissen.

Dadurch wurde ich noch überzeugter davon, dass die Schi'iten Muslime sind, die Gott allein dienen und an die Botschaft unseres Propheten Muhammad (s.) glauben. Zuvor hatten mich noch vom Satan eingeflüsterte Zweifel zur Vermutung veranlasst, dass alles, was ich hier sah und hörte, Schauspielerei sein könnte, nämlich das, was sie Taqiyya nennen. Dabei zeigt man nach außen hin, woran man gar nicht glaubt. Sobald jedoch alle eingeflüsterten Zweifel beseitigt sind, wird klar, dass es schier unmöglich ist, dass sämtliche Personen, denen ich begegnet war – und es waren Hunderte – sich abgesprochen haben könnten. Wozu auch dieses Schauspiel? Wer bin ich denn schon? Sollte ich sie etwa so sehr verunsichert haben, dass sie ihre Taqiyya bei mir anwenden müssen? Dann noch ihre alten, vor Jahrhunderten gedruckten Bücher und die neuen, welche erst vor wenigen Monaten gedruckt worden waren und allesamt Allahs Einheit verkünden und Seinen Gesandten Muhammad loben, wie ich es in ihren Vorwörtern gelesen hatte.

Und nun befinde ich mich im Haus des Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr, der angesehenen Autorität im Irak und dem Ausland, und jedesmal, wenn Muhammads (s.) Name erwähnt wird, ruft die Menge einstimmig:

“Allahumma salli ala Muhammad wa ali Muhammad!”

Es wurde Zeit zu beten, also gingen wir in die nahegelegene Moschee, wo Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr das Mittags- und Nachmittagsgebet leitete. Ich fühlte mich als hielte ich mich inmitten der verehrten Gefährten des Propheten auf. Den beiden Gebeten folgte ein rührendes Bittgebet, welches von einem der Mitbetenden gesprochen wurde, der eine ergreifende und verzaubernde Stimme hatte. Nach Beendigung des Bittgebets rief die Menge:

“Allahumma salli ala Muhammad wa ali Muhammad!”

Das gesamte Gebet bestand aus Lobpreisungen und Verherrlichungen des Allmächtigen Gottes und Muhammads und seiner gütigen und reinen Familie.

Nach dem Gebet saß der Sayyid in der Gebetsnische. Schon begannen einige, ihm sowohl geheime als auch generelle Fragen zu stellen. Auf Fragen, die Diskretion erforderten, antwortete er diskret, da sie wahrscheinlich von persönlichen Dingen handelten. Wenn der Fragende seine Antwort erhalten hatte, küsste er die Hand des Sayyids und zog sich zurück.

Wie glücklich sie sein können, solch einen erhabenen Gelehrten zu haben, der ihre Probleme für sie löst und ihre Sorgen mit ihnen teilt.

In Begleitung des Sayyids gingen wir zurück. Er schenkte mir eine Aufmerksamkeit und gastfreundliche Fürsorge wie ich sie nicht einmal von meiner Familie her kannte. Ich spürte, dass ich, wenn ich nur einen Monat bei ihm bleiben würde, dank seines ausgezeichneten Verhaltens, seiner Bescheidenheit und edlen Umgangsformen, sicherlich Schi'it geworden wäre. Und immer, wenn ich zu ihm schaute, lächelte er zurück und fragte mich, ob ich irgend etwas brauche.

Vier Tage lang wich ich nicht von seiner Seite außer zum Schlafen, obwohl ihn zahlreiche abgeordnete Gelehrte aus allen Teilen der Welt aufsuchten. So sah ich dort Saudis, obwohl ich mir nicht hätte träumen lassen, dass es in Saudi-Arabien Schi'iten gibt. Ebenso begegnete ich Gelehrten aus Bahrain, Qatar, den Emiraten, dem Libanon, aus Syrien, Iran, Afghanistan, der Türkei und aus Schwarzafrika. Der Sayyid sprach mit ihnen und kümmerte sich um ihre Anliegen. Danach ging kein einziger von ihnen hinaus, ohne froh und zufrieden zu sein.

Ich möchte an dieser Stelle nicht versäumen, einen Fall zu erwähnen, bei welchem ich zugegen und über seinen Ausgang erstaunt war. Ich erwähne diesen Fall, um ihn schriftlich festzuhalten, da er eine tiefreichende Wichtigkeit hat, und um den Muslimen zu zeigen, was ihnen entgeht, wenn sie Gottes Urteil keine Beachtung schenken.

Vier Männer – dem Dialekt nach vermutlich Iraker – kamen zu Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr. Einer von ihnen hatte von seinem Großvater, der vor Jahren verstorben war, ein Haus geerbt und an einen Zweiten, welcher ebenfalls anwesend war, verkauft. Ein Jahr nach dem Verkauf kamen zwei Brüder mit Beweisen, dass sie rechtmäßige Erben des Verstorbenen seien.

Die vier saßen vor dem Sayyid, und jeder von ihnen holte seine Papiere und Beweise hervor. Nachdem der Sayyid all ihre Dokumente gelesen hatte, sprach er ein paar Minuten mit ihnen und richtete unter ihnen in Gerechtigkeit:

Er sprach dem Käufer das Recht zu, über das Haus zu verfügen, und wies den Verkäufer an, den beiden Brüdern ihren Anteil am Verkaufspreis auszuzahlen. Danach standen alle auf, küssten die Hand des Sayyids und umarmten einander.

Ich war verblüfft und traute meinen Augen nicht. Also fragte ich Abu Shabbar: “Ist der Fall abgeschlossen?” Er antwortete: “Der Fall ist abgeschlossen. Jeder hat sein Recht erhalten.”

“Gelobt sei Allah! Mit solch einer Leichtigkeit und in solch kurzer Zeit! Nur wenige Minuten reichten aus, um den Streit zu schlichten. Ein ähnlicher Fall hätte in unserem Land mindestens zehn Jahre in Anspruch genommen. Einige der Beteiligten wären inzwischen verstorben, wodurch der Fall auf die Nachkommen übergegangen wäre, deren Anwalts- und Gerichtskosten in manchen Fällen den Wert des Hauses überstiegen hätten. Nach dem ersten Gerichtsentscheid wäre man in Berufung gegangen, danach in die Revision, und am Ende wäre keiner zufrieden gewesen, nachdem hohe Summen an Spesen und Bestechungsgeldern gezahlt wurden. Schließlich wären die Sippen der beiden Parteien sowohl müde als auch bis aufs Blut verfeindet gewesen."

Abu Shabbar entgegnete: “Auch bei uns gibt es so etwas – manchmal sogar noch schlimmer.”

Ich fragte, wie das möglich sein könne. Er sagte: "Wenn die Menschen sich mit ihren Beschwerden an die staatlichen Gerichte wenden, geschieht das, was du gerade erzählt hast. Wenn sie aber eine islamische Autorität nachahmen und die islamischen Gesetze befolgen, wenden sie sich niemals an eine andere Stelle als diese, denn hier wird ihnen binnen Minuten geholfen wie du siehst. Und wer außer Allah ist ein besserer Gesetzgeber für Leute mit Verstand? Sayyid al-Sadr verlangte nicht einmal eine Münze von ihnen. Doch hätten sie sich an die offiziellen Gerichte gewandt, hätten sie sich in den Ruin gestürzt."

Ich sagte: “Gepriesen sei Allah! Ich kann immer noch nicht fassen, was ich gesehen habe. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nie glauben."

Abu Shabbar erwiderte: “Du brauchst nicht zu zweifeln, Bruder. Das war noch harmlos im Vergleich zu anderen, komplizierteren Fällen, in denen Blutvergießen eine Rolle spielt. Dennoch lösen die Ulema diese Fälle in relativ kurzer Zeit."

Erstaunt sagte ich: "Also gibt es bei euch im Irak zwei Regierungen: Die Regierung der Machthaber und die der Theologen."

Er sagte: "Keineswegs. Es gibt bei uns lediglich die Herrschaft des Staates. Aber die schi'itischen Muslime, welche die islamischen Gelehrten nachahmen, haben mit der Regierung nichts zu tun, weil sie eine Baath-Regierung und keine islamische Regierung ist. Sie unterwerfen sich ihr in Bezug auf Staatsangehörigkeit, Steuern, Zivilrecht und private Angelegenheiten. Und wenn ein Muslim, der einen Gelehrten nachahmt, mit einem anderen Muslim, der es nicht tut, aneinander gerät, wird der Letztere ihn zweifellos vor ein staatliches Gericht zerren, da er sich mit dem Urteil der Theologen nicht zufrieden geben würde."

Dieses Ereignis hinterließ in mir ein Gefühl von Zufriedenheit mit Allahs Gesetzen, und ich verstand Seine Worte im Heiligen Buche:

Und wer nicht danach urteilt, was Allah herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen; ... Und wer nicht danach urteilt, was Allah herabgesandt hat, das sind die Tyrannen; ... Und wer nicht danach urteilt, was Allah herabgesandt hat, das sind die Frevler... (Sure al-Ma‘ida (5), Verse 44, 45, 47). So spricht Allah, Der Allmächtige.

Ebenso spürte ich in mir Hass- und Rachegefühle gegen jene Tyrannen, welche Allahs gerechten Gesetze durch ungerechte, von Menschen erdachte Gesetze ersetzen. Ist dies noch nicht genug, bemängeln sie mit aller Frechheit und Spott auch noch die göttlichen Gesetze und behaupten, sie seien barbarisch und unzivilisiert, weil sie Züchtigungsstrafen beinhalten, wobei dem Dieb die Hand abgetrennt wird, der Ehebrecher gesteinigt und der Mörder hingerichtet wird.

Woher kommen denn bloß diese uns und unseren Nachkommen fremd erscheinenden Ansichten? Kein Zweifel, dass sie aus dem Westen und von den Feinden des Islam stammen, die fürchten, dass die Anwendung der göttlichen Gesetze ihnen letztendlich zum Verhängnis werden könnte, denn sie selbst sind Diebe, Betrüger, Ehebrecher, Verbrecher und Mörder. Und wenn Gottes Gesetze gegen sie angewandt würde, hätten wir alle gemeinsam Ruhe vor ihnen.

In diesem Zusammenhang führte ich in jenen Tagen auch zahlreiche Gespräche mit Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr, in welchen ich ihn zu jeder Kleinigkeit bezüglich dem befragte, was ich von den Freunden erfahren hatte, die mir vieles über ihre Glaubensinhalte in Bezug auf die Gefährten des Propheten (s.) – Allah möge Wohlgefallen an ihnen haben – und die zwölf Imame, Ali und seine Nachkommen, und andere Dinge, in denen wir verschiedener Meinung sind, erzählt hatten.

Ich befragte den Sayyid zu Imam Ali und weshalb sie im Gebetsruf (Azan) erwähnen, dass er "Waliyullah”, Allahs Freund, sei.

Er antwortete: “Der Fürst der Gläubigen, Ali, Allahs Friede sei mit ihm, war einer von Allahs Dienern, welchen Allah die Ehre zuteil werden ließ und auserwählte, nach den Propheten die Botschaft weiter zu vermitteln. Jene sind die Treuhänder der Propheten. Jeder Prophet hatte einen Treuhänder, und Ali Ibn Abi Talib war Muhammads Treuhänder. Wir bevorzugen ihn gegenüber den anderen Sahaba, da Allah und Sein Gesandter ihn bevorzugten. Dementsprechend verfügen wir über vernünftige und überlieferte Beweise aus dem Qur'an und der Sunna, an denen kein Zweifel bestehen kann, da sie sowohl nach unseren Voraussetzungen als auch nach den Voraussetzungen der Ahl al-Sunna wa al-Jama‘a als authentisch gelten. Unsere Gelehrten haben darüber zahlreiche Bücher verfasst. Und als das omayyadische Regime beschloss, diese Wahrheit auszulöschen und den Fürst der Gläubigen, Ali, und seine Nachkommen zu bekämpfen und zu töten, begannen sie damit, ihn von den Kanzeln der Moscheen herab zu schmähen und zu verfluchen und sogar die Menschen mit Gewaltanwendung dazu zu zwingen.

Doch seine Anhänger, die Schia, standen dazu, dass er Allahs Freund war und es einem Muslim nicht erlaubt sei, Allahs Freunde zu beschimpfen. Doch indem sie versuchten, das Ansehen Allahs, Seines Gesandten und der Muslime zu wahren und den Muslimen einen historischen Antrieb zu liefern, der die folgenden Generationen Alis Wahrheit und das Unrecht seiner Feinde wissen lassen sollte, provozierten sie das machthungrige Regime.

Deshalb beharrten unsere Gelehrten darauf, das Bekenntnis zu Alis Führungsauftrag (Wilayat) im Gebetsruf (Azan) und dem Gebetsaufruf (Iqamat) zu erlauben; nicht mit der Absicht, es als Bestandteil der beiden zu betrachten, denn wenn der Muazzin (Gebetsrufer) oder Muqayyim (Gebetsaufrufer) der Ansicht ist, dass es ein Bestandteil sei, gelten sein Azan oder Iqamat als ungültig.

Die empfohlenen Dinge unter den gottesdienstlichen Handlungsweisen werden nicht nach ihrer Häufigkeit bewertet, sondern der Muslim wird für ihre Praktizierung von Gott belohnt und für ihre Unterlassung keineswegs bestraft. Als weiteres Beispiel sei noch gesagt, dass irgendwann einmal erwähnt wurde, es sei empfehlenswert, nach dem Glaubensbekenntnis ‚Es gibt keine Gottheit außer Allah, und Muhammad ist der Gesandte Allahs‘ zu sagen: ‚Und ich bekenne, dass das Paradies existiert, und das Höllenfeuer existiert, und dass Allah die in den Gräbern Liegenden zur Rechenschaft zieht.‘"

Ich sagte: "Unsere Gelehrten haben uns beigebracht, dass der vortrefflichste der Kalifen eindeutig Abu Bakr al-Siddiq gewesen sei, nach ihm Omar al-Faruq, dann Osman und dann erst Ali – möge Allah an ihnen allen Wohlgefallen haben.”

Der Sayyid schwieg eine Weile und erwiderte dann: "Jene könne sagen, was sie wollen. Doch wehe, wenn sie es mit rechtskräftigen Beweisen belegen sollen. Außerdem widerspricht diese Aussage dem, was in ihren als authentisch anerkannten Büchern steht. Beispielsweise kommt darin vor, dass der vortrefflichste Mensch Abu Bakr gewesen sei, nach ihm Osman, und Ali zu den gewöhnlichen Menschen gezählt worden sei. Erst viel später wurde er dazu gezählt, weil man die rechtgeleiteten Kalifen ehren wollte."

Danach fragte ich ihn nach dem kleinen Stein, auf dem sie die Niederwerfung (Sujud) im Gebet verrichten und "Turba" nennen. Er antwortete: "Zuallererst sollten wir klarstellen, dass wir uns auf der Turba niederwerfen und nicht für die Turba, wie einige Leute vermuten könnten. Die Niederwerfung gilt einzig und allein Allah, Dem Erhabenen. Auch ist es bei uns und bei der Ahl al-Sunna anerkannt, dass die vortrefflichste Niederwerfung auf Erde erfolgt oder auf etwas, das aus Erde gewachsen ist, mit Ausnahme von essbaren Dingen. Auf anderen Materialien ist die Niederwerfung nicht gültig. Selbst Allahs Gesandter (s.) pflegte, ein Stückchen Erde vor sich hinzulegen, oder er ließ sich einen Lehmklumpen und Stroh bringen, auf dem er die Niederwerfung verrichtete. Dies lehrte er seinen Gefährten – Allah möge Wohlgefallen an ihnen haben – und so warfen auch sie sich auf Erde nieder – oder auf Steinchen – und er (s.) hinderte sie daran, es auf einer Ecke ihrer Kleidung zu tun. Dies ist bei uns allgemein bekannt.

So nahm auch Imam Zayn al-Abidin Ali Ibn al-Hussein (Friede sei mit ihnen beiden) eine Turba vom Grabe seines Vaters Hussein, da er sie als saubere und reine Erde ansah, auf der das Blut des Herrn der Märtyrer vergossen worden war, und seine Anhänger, die Schi'iten, vollführen das bis zum heutigen Tage. Wir sagen nicht, die Niederwerfung sei allein auf dieser Turba gültig, sondern dass sie auf jeglicher Turba, auf sauberen Steinen, einer Strohmatte oder einem aus Dattelpalmblättern hergestellten Gebetsteppich oder ähnlichem zulässig ist."

Ich sagte: “Apropos Hussein – Allah habe Wohlgefallen an ihm. Warum weinen die Schi'iten um ihn und schlagen sich selbst, bis das Blut fließt, obwohl es im Islam verboten ist und unser Prophet (s.) gesagt hat: ‚Wer seine Wangen ohrfeigt, seine Kleidung zerreißt und eine Wehklage aus der Zeit der Unwissenheit (Jahiliyya) kundtut, gehört nicht zu uns.‘"

Der Sayyid antwortete: "Dieser Hadith ist zweifellos authentisch. Er kann jedoch nicht auf die Trauerzeremonien um Abu Abdillah al-Hussein angewandt werden. Denn wer nach Vergeltung für Hussein schreit und auf Husseins Pfad marschiert, dessen Wehklage hat mit der Zeit vor dem Islam nichts zu tun. Außerdem handelt es sich bei den Schi'iten um menschliche Wesen mit Gefühlen, unter denen es Gebildete und Ungebildete gibt. Und wenn sie von ihren Emotionen überwältigt werden, während sie des Märtyrertodes von Hussein und des Schicksals seiner Familie und Gefährten, welche getötet, gefesselt und geschändet wurden, gedenken, so werden sie dafür belohnt werden, weil all ihre Vorsätze (Niyyat) dabei um Allahs Willen sind. Und Allah, Der Erhabene und Mächtige, richtet Seine Diener nach ihren Vorsätzen.

Vor wenigen Wochen erst las ich die offiziellen Verlautbarungen der ägyptischen Regierung bezüglich des Todes von Gamal Abdel Nasser. In diesen offiziellen Verlautbarungen stand, dass in mehr als acht Fällen Anhänger Nassers Selbstmord begingen, nachdem sie von seinem Tode erfahren hatten. Einige von ihnen stürzten sich von Hochhäusern, andere sprangen vor einen Zug oder ähnliches. Darüber hinaus gab es auch viele Verletzte und seelisch Erschütterte.

Dies sollte nur als Beispiel dienen, um zu verdeutlichen, wozu Emotionen einen Menschen veranlassen können, wenn sie ihn überkommen. Wenn also Nassers Anhänger zweifellos Muslime waren und aufgrund seines Todes sich selbst das Leben nahmen, obwohl er eines natürlichen Todes gestorben war, haben wir noch lange nicht das Recht, über die Sunniten zu richten, sie seien Abtrünnige. Ebenso dürfen die Sunniten nicht über ihre schi'itischen Brüder richten, weil sie um den Herrn der Märtyrer weinen. Schließlich mussten sie Husseins Leid miterleben und erleben es heute immer noch mit. Auch Allahs Gesandter hatte um seinen Enkel Hussein geweint, und der Engel Gabriel weinte, weil er weinte."

Ich fragte: "Und warum schmücken die Schi'iten die Gräber ihrer Heiligen mit Gold und Silber, obwohl es im Islam verboten ist?"

Der Sayyid antwortete: "Das trifft nicht nur auf die Schia zu. Es ist noch nicht einmal verboten. Auch die Moscheen unserer Brüder von der Ahl al-Sunna im Irak, in Ägypten, der Türkei oder anderen islamischen Ländern sind mit Gold und Silber geschmückt, und sogar die Moschee des Propheten in Medina und die heilige Kaaba in Mekka, welche jedes Jahr mit einem neuen, unbezahlbaren, goldenen Band umzogen wird, zählen dazu. Es trifft nicht nur auf die Schia zu."

Ich sagte: "Die Ulema der Saudis behaupten, dass das Berühren der Gräber, das Bittgebet an die Heiligen darin und der Segenswunsch durch sie Polytheismus sei. Wie denken Sie darüber?"

Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr antwortete: "Wenn das Berühren der Gräber und das Bittgebet an die darin Liegenden in dem Glauben geschieht, die Heiligen könnten in irgendeiner Weise etwas von sich aus bewirken, so handelt es sich ohne Zweifel um Götzendienst. Die Muslime sind jedoch Monotheisten und wissen, dass Allah der Einzige ist, Der Schaden oder Nutzen vollbringen kann. Aber sie bitten die Heiligen und Imame – der Friede sei mit ihnen – darum, ihre Vermittler zwischen ihnen und dem Allbarmherzigen zu sein, und dies wiederum ist keine Vielgötterei. Alle Muslime von Sunna bis Schia sind sich seit der Zeit des Gesandten (s.) darin einig gewesen – nur die Wahhabiten nicht. Es handelt sich dabei um die saudischen Ulema, die es erwähnt haben und die mit ihrer neuen, in diesem (20.) Jahrhundert entstandenen Lehre der Einstimmigkeit sämtlicher Muslime widersprochen haben. Mit ihren Lehren haben sie die Muslime verführt, als Ungläubige gebrandmarkt und ihr Blut vergossen. Sie schlagen die Alten unter den Pilgern in Mekka nur weil einer von ihnen sagt: ‚Der Friede sei mit dir, o Allahs Gesandter!‘ Sie lassen auch niemanden sein heiliges Grab berühren. Und kommt es zu einer Diskussion zwischen ihren und unseren Gelehrten, üben sie sich in Starrköpfigkeit und Arroganz.

Als einmal der schi'itische Gelehrte Scharafuddin zur Zeit des Abdul‘aziz Al Sa‘ud nach Mekka reiste, um die Wallfahrt zu vollziehen, war er gemeinsam mit anderen Gelehrten in den Palast des Königs eingeladen, wo die traditionelle Feier des Opferfestes stattfinden sollte. Als er an der Reihe war, dem König die Hand zu schütteln, überreichte er ihm als Geschenk einen in Leder eingebundenes Qur'an-Exemplar. Der König nahm den Qur'an entgegen, küsste ihn und berührte ihn ehrfurchtsvoll mit der Stirn. Da sagte Sayyid Sharafuddin zu ihm: ‚Euer Majestät, weshalb habt Ihr das Ziegenleder geküsst und geehrt?‘ Der König antwortete: ‚Was ich tat, galt dem darin befindlichen Heiligen Qur'an und nicht dem Leder!‘ Sodann erwiderte Sayyid Sharafuddin: ‚Bravo, Euer Majestät! Genau das meinen wir, wenn wir das Fenster oder die Tür der Grabstätte des Propheten küssen, obgleich wir wissen, dass es sich dabei um lebloses Metall handelt. Wir denken dabei an das, was sich hinter dem Eisen und dem Holz befindet. Wir möchten damit Allahs Gesandtem unseren Respekt erweisen, wie Ihr dem Qur'an, als Ihr das Ziegenleder küsstet.‘ Die Anwesenden applaudierten zustimmend und sagten: ‚Er spricht die Wahrheit!‘ So entschloss sich damals der König, den Pilgern zu erlauben, an den Hinterlassenschaften des Propheten Segen zu erbeten. Sobald jedoch sein Nachfolger an die Macht kam, kehrte er zum alten Zustand zurück.

Das Problem ist nicht, dass sie befürchten, die Muslime könnten Schirk (Götzendienst) begehen. Nein, hier spielt Politik eine Rolle, Politik, welche auf Opposition und Ermordung der Muslime basiert, damit sie ihr Königreich und ihre Macht über die Muslime aufrecht erhalten können. Die Geschichte ist der beste Zeuge für das, was sie der Gemeinde Muhammads angetan haben."

Danach befragte ich ihn zu den sufitischen Orden, worauf er mir kurz und bündig antwortete: "Bei den Sufiten gibt es positive und negative Aspekte. Das Positive dabei ist die Erziehung des Geistes bis hin zur Entbehrung des irdischen Lebens und der Lossagung von allen Genüssen der vergänglichen Welt und dem Aufstieg mit ihnen in die Welt der tadellosen Seelen. Das Negative dabei sind die Zurückgezogenheit und die Flucht vor der Realität des Daseins, um sich ausschließlich der Andacht Gottes und Ähnlichem zu widmen. Der Islam – und das ist wohlbekannt – bestätigt das Positive und lehnt das Negative ab. Wir können sagen, dass die Prinzipien und Lehren des Islam allesamt positiv sind."

 

Zweifel und Verwirrung

Die Antworten von Sayyid Muhammad Baqir al-Sadr waren klar und überzeugend. Wie konnten sie jedoch bei jemandem wie mir Wirkung zeigen, der immerhin fünfundzwanzig Jahre seines Lebens in Befolgung des Prinzips der Verehrung der Sahaba verbracht hatte, insbesondere der rechtgeleiteten Kalifen, deren Nachahmung und Befolgung uns von Allahs Gesandtem befohlen worden war. An ihrer Spitze stehen Abu Bakr al-Siddiq und Omar al-Faruq, deren beider Namen ich seit meiner Ankunft im Irak noch nicht gehört hatte. Statt dessen begegneten mir völlig unbekannte und seltsame Namen, die Zwölf Imame und die Behauptung, dass Allahs Gesandter (s.) vor seinem Tode Imam Ali als Kalifen bestimmt haben soll.

Wie sollte ich all dies glauben? Wie konnte es sein, dass die Muslime, d.h. die ehrenwerten Sahaba, die besten Menschen nach Allahs Gesandtem, gegen Imam Ali intrigieren? Schließlich waren sie es, die uns seit jeher gelehrt hatten, dass die Sahaba – Allah möge Wohlgefallen an ihnen haben – Imam Ali respektierten und um sein Recht wussten, da er der Ehemann von Fatima al-Zahra, der Vater von Hassan und Hussein und das Tor zur Stadt des Wissens war. Genauso wusste Ali um das Recht von Abu Bakr al-Siddiq, welcher vor allen anderen zum Islam übergetreten war und der Begleiter des Propheten in der Höhle war, wie Gott es im Qur'an erwähnt. Auch ließ Allahs Gesandter ihn die Gebete leiten, als er krank war, und sprach: “Wenn ich einen liebsten Freund wählen müsste, würde ich mir Abu Bakr zum liebsten Freund nehmen.” Wegen all dem wählten ihn die Muslime zum Kalifen.

Auch wusste Ali um Omars Recht, durch den Allah den Islam stark machte und den der Prophet “al-Faruq” nannte, weil er das Rechte vom Ungerechten zu unterscheiden verstand, so wie er um Osmans Recht wusste, vor dem sich die Engel genierten und der das Not-Heer aufstellte und den der Gesandte “Zu al-Nurayn" nannte.

Wie konnten unsere schi'itischen Brüder all dies nicht wissen bzw. ignorieren und sie für gewöhnliche Menschen halten, die ihren irdischen Begierden und Gelüsten dienten und sich den Anordnungen des Gesandten nach seinem Tode widersetzten, obwohl sie diejenigen waren, die stets um die Ausführung seiner Befehle wetteiferten und ihre Söhne, Väter und Sippen bekriegten, um den Islam zu stärken. Wer aus Gehorsam gegenüber Allah und Seinem Gesandten seinen Vater oder Sohn tötet, kann nicht von Gelüsten der vergänglichen Welt gesteuert sein.

Nun, wegen all dem glaubte ich den Schi'iten nicht in jeder Hinsicht, obschon sie mich in vielerlei Hinsicht überzeugt hatten. Also hing ich zwischen Zweifel und Verwirrung. Den Zweifel hatten mir die schi'itischen Gelehrten durch ihre vernünftigen und logischen Erklärungen eingeflößt. Meine Verwirrung bezog sich darauf, dass ich nicht glauben wollte, dass die Sahaba – Allah möge Wohlgefallen an ihnen haben – sich auf solch einem Niveau befanden und Menschen wie du und ich gewesen sein sollen. Weder das Licht der Botschaft noch die Rechtleitung Muhammads soll sie beeinflusst haben. Mein Gott! Wie konnte das wahr sein? Konnten sich die Sahaba wirklich auf dem Niveau befunden haben wie die Schi'iten sagen?

Das Wichtigste war jedoch dabei, dass dieser Zweifel und die Verwirrung den Anfang der Schwäche und Erkenntnis darstellten, es müsse verborgene Dinge geben, deren Entdeckung unumgänglich war, um zur Wahrheit zu gelangen.

Mein Freund Mun‘im kam, und wir fuhren nach Kerbala. Dort erlebte ich das traurige Schicksal Husseins wie seine Anhänger, die Schi'iten. Damals begriff ich, dass Hussein nicht tot war. Denn die Menschen drängten und klammerten sich an seine Grabstätte wie Motten und weinten mit unbeschreiblicher Qual und Sehnsucht als sei Hussein gerade erst ermordet worden. Ich hörte dort Prediger, die mit ihrer herzergreifenden Darstellung der Tragödie von Kerbala ihre Zuhörer zum Weinen und Trauern brachten. Jeder, der ihnen zuhörte, brach unweigerlich in Tränen aus. Auch ich weinte und weinte als hätte ich es lange unterdrückt. Danach verspürte ich eine große, innere Ruhe wie ich sie noch nie verspürt hatte. Es war als sei ich einer von Husseins Feinden gewesen und plötzlich zu seinen Gefährten und Anhängern übergelaufen, die ihr Leben für ihn geben würden.

Der Prediger erzählte die Geschichte von Hurr, einem der mit Husseins Ermordung beauftragten Feldherren. Hurr blieb aber mitten in der Schlacht stehen und zitterte am ganzen Leib. Und als seine Gefolgsleute ihn fragten, ob er sich vor dem Tod fürchte, antwortete er ihnen: "Bei Gott, nein. Ich entscheide gerade zwischen Paradies und Höllenfeuer." Sodann gab er seinem Ross die Sporen und sagte zu Hussein: "Bitte vergib mir, o Sohn des Gesandten Allahs!”

Als ich diese Worte vernahm, konnte ich mich nicht mehr beherrschen und fiel weinend zu Boden als spielte ich die Rolle des Hurr und sprach zu Hussein: “Vergib mir, o Sohn des Gesandten Allahs!”

Die Stimme des Predigers klang erregt, und die Stimmen der Menschen wurden lauter in Wehklage und Trauer. Da hörte mein Freund mein Weinen. Er beugte sich zu mir herunter und umarmte mich ebenfalls weinend. Er presste mich wie eine Mutter an seine Brust und rief immer wieder: "O Hussein! O Hussein!"

In jenen Augenblicken erfuhr ich, was aufrichtiges Weinen bedeutet, und fühlte mich als hätten meine Tränen mein Herz und mein ganzes Inneres reingewaschen. Damals verstand ich den Ausspruch des Gesandten (s.): "Wenn ihr wüsstet, was ich weiß, würdet ihr weniger lachen und viel weinen."

Ich verbrachte einen ganzen Tag zurückgezogen, während mein Freund sich bemühte, mich zu trösten und aufzumuntern. Er brachte mir einige Erfrischungsgetränke, doch ich hatte auf nichts Appetit. Statt dessen bat ich ihn, mir die Geschichte von Husseins Ermordung noch einmal zu erzählen, da ich nicht das Geringste von ihr wusste bis auf das, was unsere Scheichs uns erzählt hatten, nämlich dass die heuchlerischen Feinde Allahs, die auch Omar, Osman und Ali getötet hatten, eben diejenigen waren, die Hussein töteten. Das war alles, was wir wussten.

Obendrein feierten wir Aschura, weil wir es für einen der islamischen Feiertage hielten. Wir pflegten dann, die Almosensteuer zu zahlen und köstliche und üppige Speisen zuzubereiten, während die Kinder zu den Erwachsenen liefen, um von ihnen Geld für Süßigkeiten und Spielzeug zu bekommen.

Es ist wahr, dass in einigen Dörfern die Tradition vorherrschte, an Aschura ein Feuer anzuzünden und nicht zu arbeiten, zu heiraten oder sich zu freuen. Wir hielten sie jedoch für Traditionen ohne Ursprung oder Sinn. Und unsere “Gelehrten” berichteten uns von den Vorzügen der Aschura-Tage und ihrem Segen und ihrer Gnade, dass man wirklich staunen musste!

Später besuchten wir die Grabstätte von Abbas, Alis Bruder. Ich hatte gar nicht gewusst, wer er war, bis mein Freund mir von seiner Tapferkeit berichtete. Wir trafen uns mit zahlreichen vortrefflichen Gelehrten, an deren aller Namen ich mich nicht erinnern kann, außer an ein paar ihrer Beinamen wie “Bahr al-Ulum”, “al-Sayyid al-Hakim”, “Kashif al-Ghita”, “Al Yasin”, “al-Tabataba‘i”, “al-Firuzabadi”, “Assad Haidar” und andere.

Es handelte sich um wahrhaftig fromme Gelehrte mit Würde und aufrichtigem Glauben. Die Schi'iten respektieren sie sehr und zahlen ihnen ein Fünftel ihres Besitzes, mit welchem dann die Ausgaben der Religionsschulen beglichen, Schulen und Druckereien gegründet und die aus allen islamischen Ländern kommenden Studenten finanziell unterstützt werden. Sie sind in jeder Hinsicht von den Machthabern unabhängig – im Gegensatz zu unseren Gelehrten, die kein Urteil fällen und nichts sagen, das der Meinung der Machthaber widerspricht, die ihre Gehälter zahlen und entlassen und einstellen, wen sie wollen.

Ich entdeckte eine für mich völlig neue Welt, oder sagen wir: Allah deckte sie für mich auf. Es gefiel mir in meiner neuen Welt, obwohl ich anfänglich vor ihr zurückgeschreckt und ihr feindlich gesinnt war. Diese Welt brachte mich auf neue Ideen und weckte in mir eine Liebe zur Weiterbildung und Forschung, bis ich die ersehnte Wahrheit entdecke, welche mich immer zu verlocken suchte, wenn ich den edlen Hadith des Gesandten Allahs las, wo er spricht:

"Die Juden haben sich in einundsiebzig Gruppen gespalten, die Christen haben sich in zweiundsiebzig Gruppen gespalten, und meine Gemeinde wird sich in dreiundsiebzig Gruppen aufspalten, von denen alle in die Hölle gehen – außer eine einzige Gruppe."

Von den zahllosen Religionen, von denen jede einzelne behauptet, die einzig wahre zu sein, ist hier nicht die Rede. Aber immer, wenn ich diesen Ausspruch lese, staune und wundere ich mich sehr; nicht über den Ausspruch selbst, sondern über die Muslime, die ihn lesen und in ihren Predigten wiederholen und ihm anderswo begegnen, ohne seinen Sinn zu analysieren oder zu untersuchen, damit sie die "Errettete Gruppe" [al-Firqatu-n-najiya] unter den irregeleiteten Glaubensrichtungen erkennen mögen. Seltsam ist nur, dass jede Glaubensrichtung von sich behauptet, die Errettete Gruppe zu sein.

Der Hadith geht folgendermaßen weiter:

“Sie sagten: ‚Wer ist es, o Allahs Gesandter?‘ Er sagte: ‚Es sind jene, die das befolgen, was ich befolge, ich und meine Gefährten.‘”

Gibt es eine einzige islamische Gruppe oder Glaubensrichtung, die nicht am Qur'an und der Sunna festhält? Und gibt es einzige islamische Gruppe, oder Glaubensrichtung, die von sich etwas anderes behauptet als dies? Wenn man Imam Malik, Abu Hanifa, Imam al-Shafi‘i oder Ahmad Ibn Hanbal befragen würde, würde jeder einzelne von ihnen behaupten, am Qur'an und der wahren Sunna festzuhalten.

Wenn man diesen sunnitischen Rechtsschulen noch die schi'itischen Gruppen hinzuzählen würde, von deren Schlechtigkeit und Verirrtheit ich überzeugt gewesen war, würden sie ebenfalls von sich sagen, dem Qur'an und der wahren Sunna zu folgen, welche bei ihnen von den reinen Ahl-ul-Bayt1 überliefert worden ist. Sie sagen: "Die Bewohner des Hauses wissen besser, was darin ist." Ist es möglich, dass alle im Recht sind? Dies kann nicht der Fall sein, weil der edle Hadith das Gegenteil besagt.

(1wörtl.: "Leute des Hauses" (Muhammad, Fatima, Ali, Hassan und Hussein sowie 9 weitere Imame))

Mein Gott, was ist nur, wenn der Hadith gefälscht ist? Aber das kann nicht sein, da er sowohl bei den Sunniten als auch bei den Schi'iten als authentisch gilt. Oder sollte er gar ohne Bedeutung sein? Gott behüte, dass Allahs Gesandter (s.) etwas gesagt haben könnte, das keine Bedeutung hatte. Er war derjenige, der nicht aus eigenem Begehren heraus redete (Sure al-Najm (53), Vers 3), und in all seinen Aussprüchen liegen Weisheit und Belehrung. Daraus ziehen wir den Rückschluss, dass nur eine einzige Glaubensgemeinschaft existieren kann, die im Recht ist, und alle anderen im Unrecht. Der Hadith ruft Verwirrung hervor und fordert den, der errettet werden will, zur Suche und Nachforschung auf.

Aus diesen Gründen erwachten in mir Zweifel und Verwirrung, nachdem ich mit den Schi'iten zusammengetroffen war, ob sie eventuell nicht doch aufrichtig sind und die Wahrheit sprechen.

Weshalb sollte ich nicht suchen und nachforschen? Der Islam selbst hält mich im Qur'an und der Sunna dazu an, zu suchen, abzuwägen und zu entscheiden. Gott Der Erhabene spricht: "Jene, die sich Unsretwillen abmühen, leiten Wir recht auf Unsren Wegen" (Sure al-Ankabut (29), Vers 69), und "Jene, die den Worten lauschen und dem Besten von ihnen folgen, jene sind es, die Allah rechtleitet, und jene sind es, die Verstand besitzen.(Sure al-Zumr (39), Vers 18)

 

Die Reise in den Hedschaz

Als ich in Djidda eintraf, traf ich mich mit meinem Freund Bashir, der sich über meinen Besuch freute und mich einlud, mich in seinem Haus einzuquartieren. Er behandelte mich mit äußerster Gastfreundschaft und verbrachte seine freie Zeit damit, mich mit seinem Auto auf Ausflüge mitzunehmen. Wir vollzogen gemeinsam die kleine Wallfahrt und erlebten Tage voller Gottesnähe und Frömmigkeit.

Ich entschuldigte mich bei ihm für meine verspätete Anreise durch meinen Aufenthalt im Irak und erzählte ihm von meiner neuen Entdeckung beziehungsweise neuen Eroberung. Er war aufgeschlossen und informiert und sagte: "Ich habe in der Tat gehört, dass es bei ihnen einige große Gelehrte und so geben soll. Aber es gibt viele ungläubige und abtrünnige Gruppen unter ihnen, welche uns jedes Jahr zur Zeit der Pilgerfahrt große Probleme bereiten."

Ich fragte ihn: "Was für Probleme bereiten sie euch?"

Er antwortete: "Sie beten neben Gräbern, sie betreten den Baqi‘-Friedhof in Scharen weinend und wehklagend und tragen in ihren Taschen kleine Steine, auf denen sie beten. Und wenn sie an das Grab von Hamza in Uhud kommen, veranstalten sie Trauerzeremonien und heulen als wäre Hamza erst Augenblicke zuvor gestorben. Wegen all dem hat die saudische Regierung ihnen den Zutritt zu den Friedhöfen untersagt."

Ich lächelte und sagte zu ihm: "Haltet ihr sie etwa deshalb für Abtrünnige vom Islam?"

Er antwortete: "Deshalb und aus anderen Gründen auch. Wenn sie kommen, um das Grab des Propheten zu besuchen, bleiben sie zur gleichen Zeit vor Abu Bakrs und Omars Gräbern stehen und beschimpfen und verfluchen sie. Zuweilen kommt es vor, dass einige von ihnen Schmutz und Unrat auf die Gräber von Abu Bakr und Omar werfen.”

Seine Worte erinnerten mich an das, was ich von meinem Vater gehört hatte an jenem Morgen, als er von der Pilgerfahrt heimkehrte. Aber er hatte gesagt, sie warfen Schmutz auf das Grab des Propheten. Ich bin sicher, dass mein Vater es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, weil er berichtete:

"Wir beobachteten Soldaten der saudischen Armee dabei, wie sie einige Pilger mit Stöcken schlugen, und als wir sie deswegen zur Rede stellen wollten, erwiderten sie uns, es handele sich nicht um Muslime sondern um Schi'iten, die mit Schmutz gekommen seien, um ihn auf das Grab des Propheten zu werfen. Demzufolge verfluchten und bespuckten wir sie."

Hier saß ich nun und hörte von meinem saudischen Freund, welcher in Medina geboren ist, dass die Schi'iten kommen, um das Grab des Propheten zu besuchen, dann aber Dreck auf die beiden Gräber von Abu Bakr und Omar werfen. Ich zweifelte jedoch den Wahrheitsgehalt beider Berichte an, da ich während meiner Pilgerfahrt sehen konnte, dass das heilige Zimmer, in dem sich die Gräber des Propheten (s.), Abu Bakrs und Omars, verschlossen war und es niemandem möglich war, sich seiner Tür oder seinen Fenstern zwecks Segnung zu nähern – geschweige denn etwas hinein zu werfen -, erstens, da es keine Eingänge gab, und zweitens wegen den verstärkten Wachposten – aggressive Soldaten, die sich vor jeder Tür gegenseitig ablösten.

In ihren Händen hielten sie Peitschen, mit denen sie diejenigen schlugen, die dem Zimmer zu nahe kommen oder versuchten, hinein zu schauen. Es liegt nahe, anzunehmen, dass einige der saudischen Soldaten – da sie die Schi'iten für Ungläubige halten – sie dieser Taten beschuldigten, um ihr Schlagen zu rechtfertigen, und sogar andere Muslime anstifteten, sie zu schlagen oder zumindest zu schweigen, wenn die Soldaten sie beschimpfen, und bei ihrer Rückkehr in die Heimat zu verbreiten, dass die Schi'iten Allahs Gesandten (s.) hassen und Schmutz auf sein Grab werfen. Auf diese Weise schlagen die Saudis zwei Fliegen mit einer Klappe.

Das entspricht genau dem, was mir jemand, dem ich vertraue, erzählt hatte, indem er sagte:

"Wir waren gerade dabei, die Kaaba zu umrunden, als plötzlich einem Jugendlichen in dem Gedränge übel wurde und er sich übergab. Die Soldaten, die den Schwarzen Stein bewachten, schlugen ihn und schleppten ihn in seiner schlechten Verfassung hinaus. Er wurde angeklagt, versucht zu haben, die Kaaba zu beschmutzen. Er wurde noch am selben Tag hingerichtet."

Diese Szenen kreisten so in meinem Kopf, und ich überlegte einen Moment, welchen Grund mein saudischer Freund hatte, die Schi'iten als Ungläubige zu bezeichnen. Alles, was ich gehört hatte, war, dass sie weinen, trauern, sich auf Steinen niederwerfen und in der Nähe von Gräbern beten. Ich fragte mich, ob darin eine Rechtfertigung liege, jemanden, der bekennt, dass es keine Gottheit gibt außer Allah, und dass Muhammad Sein Diener und Gesandter ist, als Ungläubigen zu bezeichnen. Jemanden, der das rituelle Gebet verrichtet, die Almosensteuer abführt, im Monat Ramadan fastet, zur Kaaba pilgert, das Gute gebietet und das Schlechte verwehrt.

Ich wollte mich mit meinem Freund nicht auf eine unnütze Diskussion einlassen und sagte kurz und bündig: “Möge Allah uns und sie auf den rechten Weg führen, und möge Er die Feinde des Islam verfluchen, die gegen den Islam und die Muslime Ränke schmieden."

Während der kleinen Wallfahrt und bei jedem Aufenthalt im heiligen Mekka umrundete ich die Kaaba, betete und bat Allah, Den Erhabenen, von ganzem Herzen, mir die Augen zu öffnen und mich zur Wahrheit zu führen.

Als ich an Abrahams (a.) Stätte stand, führte ich mir folgenden Vers vor Augen:

“Und bemüht euch für Allah, wie man sich für Ihn bemüht, denn Er hat euch auserwählt und euch im Glauben keine Last aufgebürdet wie dem Volke eures Vaters Abraham, der euch zu Muslimen ernannte. Und hierin wird der Gesandte wahrhaftig Zeugnis über euch ablegen, und ihr werdet Zeugen für die Menschen sein. So verrichtet das Gebet, zahlt die Almosen und suchet Zuflucht bei Allah. Er ist euer Gebieter, Der Beste aller Gebieter und Helfer" (Sure al-Hajj (22), Vers 78), und begann, zu unserem Vater Abraham zu sprechen:

Oh Vater, der du uns zu Muslimen ernannt hast! Deine Kinder haben sich nach dir entzweit und sind zu Juden, Christen und Muslimen geworden. Die Juden haben sich in einundsiebzig Gruppen aufgespalten. Und die Christen haben sich in zweiundsiebzig Gruppen aufgespalten. Und die Muslime haben sich in dreiundsiebzig Gruppen aufgespalten, von denen alle in die Irre gehen nach dem, was wir von deinem Sohn Muhammad wissen, und nur eine Gruppe hält fest an deinem Bund, o Vater!

Ist es Allahs Verhaltensweise gegenüber Seinen Geschöpfen? So wie Er jeder Seele vorschreibt, Jude, Christ oder Muslim zu sein, oder Ketzer oder Gotteslästerer oder das irdische Leben und die Abkehr von Ihm – gepriesen sei Er – zu lieben? Weil sie Ihn vergessen, lässt Er sie sich selbst vergessen.

Mein Verstand gehorcht mir nicht, wenn ich versuche, an das Schicksal und die Bestimmung zu glauben und daran, dass Gott das Los des Menschen bestimmt. Ich ziehe es vor und bin fast entschieden zu glauben, dass Allah, Der Gepriesene, uns erschuf, rechtleitete und sowohl die Unsittlichkeit als auch die Frömmigkeit eingab, danach Seine Propheten zu uns sandte, damit sie uns verdeutlichen, was uns schwerfällt, und uns zu lehren, das Gute vom Schlechten zu unterscheiden. Aber der Mensch ist geblendet vom irdischen Dasein und seinem Glanz. Der Mensch in seiner Eigenliebe und seinem Hochmut, in seiner Unwissenheit und Neugier, seiner Ungerechtigkeit und Tyrannei, seiner Sturheit und Hartnäckigkeit, wandte sich vom Rechten ab und folgte dem Satan. Er entfernte sich vom Barmherzigen und hält sich auf, wo er nicht sein soll, isst, was er nicht essen soll. Der Heilige Qur'an veranschaulicht dies in der schönsten Weise mit Allahs Worten:

Wahrlich, Allah unterdrückt die Menschen in keiner Weise, sondern die Menschen unterdrücken sich selbst. (Sure Yunus (10), Vers 44)

O Vater Abraham! Wie können wir Juden oder Christen dafür tadeln, dass sie sich durch eigene Entschlossenheit der Wahrheit widersetzten, nachdem sie die Weisungen erhalten hatten? Selbst die Gemeinde, die Allah durch deinen Sohn Muhammad errettete, von der Tyrannei ins Licht hinaus führte und sie zur besten Gemeinde der gesamten Menschheit ernannte, geriet ebenfalls in Meinungsverschiedenheiten, teilte sich in Gruppen auf, welche sich gegenseitig des Unglaubens bezichtigen. Dies, obwohl Allahs Gesandter sie davor gewarnt und darauf hingewiesen hatte, indem er unmissverständlich sagte:

‚Ein Muslim darf sich von seinem Bruder, dem Muslim, nicht länger als drei Tage abwenden.‘

Was ist los mit dieser Gemeinde, Vater Abraham, nachdem sie beste Gemeinde der Welt gewesen war? War sie es doch einst gewesen, die den Menschen die Rechtleitung, die Wissenschaften und die Kultur vermittelte. Heute jedoch zählt sie zu den niedrigsten und am meisten verachteten aller Gemeinschaften, und ihre Länder sind besetzt, ihre Völker vertrieben, und ihre Moschee, die al-Aqsa, ist besetzt von den zionistischen Horden, und wir sind nicht imstande, sie zu befreien. Besucht man ihre Länder, begegnet man nur Armut, Hunger, trockener Erde, tödlichen Krankheiten und schlechten Sitten. Daneben sind auch geistige und technische Rückständigkeit, Unterdrückung und Tyrannei, Abfälle und Insekten alltäglich. Es genügt schon, wenn man die öffentlichen Toiletten in Europa mit den unseren vergleicht. Betritt ein Reisender in Europa eine Toilette, findet er sie sauber und glänzend wie Kristall und wohlduftend, wohingegen ein Tourist in den islamischen Ländern die Toiletten wegen ihres starken Geruchs und ihrer Verunreinigung nicht betreten kann. Und ausgerechnet wir sind es, denen der Islam lehrt:

"Die Reinheit kommt vom Glauben, und die Unreinheit kommt vom Teufel."

Ist etwa der Glaube nach Europa ausgewandert und der Teufel bei uns verweilt? Warum fürchten sich die Muslime sogar in ihrer Heimat, ihre Religion frei zu praktizieren? Es ist nahezu verpönt, sich einen Bart wachsen zu lassen oder traditionelle islamische Kleidung zu tragen, während die Frevler fortfahren, öffentlich Alkohol zu trinken, Ehebruch zu begehen und die Ehre von Menschen zu verletzen, ohne dass die Muslime imstande sind, sie daran zu hindern, nicht einmal das Gute gebieten und das Schlechte verwehren. Ich habe sogar schon davon gehört, dass in einigen islamischen Ländern wie Ägypten und Marokko Väter ihre Töchter aus Armut und Bedürftigkeit als Prostituierte losschicken! Es gibt keine Macht und Kraft außer bei Allah Dem Hohen und Mächtigen!

Mein Gott! Wieso hast Du Dich von dieser Gemeinde abgewandt und lässt sie in Unterdrückung und Tyrannei wandeln? Nein, nein, bitte vergib mir, mein Gott, denn diese (Gemeinde) war es, die sich von Dir und dem Gedenken an Dich abgewandt und den Weg des Satans gewählt hat. Aber Deine Erhabenheit und Macht sind groß, und Du sprachst die Wahrheit, als Du sagtest:

Und wer blind ist vor der Andacht des Barmherzigen, dem gesellen Wir einen Teufel als Gefährten hinzu (Sure al-Zukhruf (43), Vers 36)  und

Und Muhammad ist nur ein Gesandter; vor ihm waren schon Gesandte da. Wenn er nun stirbt oder getötet wird, macht ihr dann auf euren Fersen kehrt? Doch wer auf seinen Fersen kehrtmacht, schadet Allah damit keineswegs, und Allah wird die Dankbaren belohnen. (Sure Ali Imran (3), Vers 144)

Es gibt keinen Zweifel, dass der Abstieg, die Rückständigkeit und die Armut, in welchen sich die islamische Gemeinde befindet, schlagende Beweise darstellen für ihre Ferne vom Rechten Weg. Und es gibt keinen Zweifel daran, dass eine kleine Minderheit oder eine einzelne Glaubensgemeinschaft unter dreiundsiebzig auf die Entwicklung einer ganzen Gemeinde keinen Einfluss ausüben kann.

Allahs Gesandter (s.) sprach: “Ihr sollt das Gute gebieten und das Schlechte verwehren, sonst setzt Allah die Bösen von euch gegen euch ein. Dann rufen die Guten von euch, und niemand wird ihnen antworten.”

Herr, lass uns glauben an das, was Du herabgesandt hast, und lass uns Deinem Gesandten folgen, damit wir seine Zeugen seien. Herr, lass unsere Herzen nicht fehlgehen, nachdem Du uns geleitet hast, und lass uns Deine Gnade zuteil werden, denn Du bist der immer Gebende. Herr, wir haben uns selbst unterdrückt. Wenn Du uns nicht vergibst und Deine Gnade erweist, sind wir wahrhaftig verloren....

Ich fuhr nach Medina mit einem Brief meines Freundes Bashir an einen seiner Verwandten. Sie hatten bereites telefonisch vereinbart, dass ich während meines Aufenthaltes bei ihm wohnen würde. So empfing er mich herzlich und führte mich zu seinem Haus. Kurz nach meiner Ankunft begab ich mich ans Grab des Gesandten Allahs (s.). Ich hatte mich gewaschen, parfümiert und meine besten und saubersten Kleider angezogen.

Die Besucher dort waren im Vergleich zur Zeit der Pilgerfahrt nur wenige, so dass ich problemlos vor den Gräbern des Propheten, Omars und Abu Bakrs stehen konnte. Auf der Pilgerfahrt war mir dies aufgrund des Gedränges nicht gelungen. Ich versuchte probeweise, eine der Türen zu berühren, doch sofort scheuchte mich einer der Wachposten weg. An jeder Tür stand ein Wachposten, und als ich länger stehen blieb, um Bittgebete zu sprechen und Grüße von meinen Freunden zu übermitteln, befahlen sie mir, fortzugehen. Ich versuchte noch, mit einem von ihnen zu sprechen, jedoch ohne Erfolg.

Ich begab mich zum reinen Garten, wo ich mich setzte und etwas aus dem Qur'an rezitierte. Ich gab mir Mühe dabei und wiederholte die Rezitation mehrere Male, da ich mir vorstellte, Allahs Gesandter (s.) höre mir zu. Ich fragte mich, ob es möglich sei, dass der Gesandte (s.) tot sein könne wie andere Verstorbene. Weshalb sagen wir aber im Gebet: “Der Friede sei mit dir, o Prophet, und Allahs Gnade und Segen”, als würden wir ihn direkt ansprechen? Die Muslime glauben auch, dass Khidr – Friede sei mit ihm – nicht gestorben sei und jeden Gruß an ihn erwidere, und die Scheichs von den Sufi-Orden sind überzeugt, dass ihre Scheichs Ahmad al-Tijani und Abdulqadir al-Gilani ihnen im Wachzustand deutlich erscheinen. Warum also gestehen wir nicht auch Allahs Gesandtem (s.) diese Fähigkeit zu? Er ist schließlich das absolut beste aller Geschöpfe. Aber ich vermute, es sind nicht alle Muslime, die Allahs Gesandtem (s.) dies nicht zugestehen, sondern nur die Wahhabiten, von denen einige Einzelne aus diversen Gründen damit anfingen, so wie mit der Grobheit, die ich erfahren hatte, und die Strenge mit den Muslimen, die ihren Ideen widersprechen.

Ich besuchte den Baqi‘-Friedhof und trauerte um die Seelen der Ahl-ul-Bayt. In meiner Nähe stand ein alter Mann, der weinte. Durch sein Weinen verstand ich, dass er Schi'it war. Er wandte sich der Gebetsrichtung zu und begann zu beten. Als hätte er seine Bewegungen verfolgt, eilte sofort ein Soldat herbei und trat ihn, während er sich auf dem Boden niederwarf. Dann drehte er ihn auf seinen Rücken. Der arme Mann blieb ein paar Minuten bewusstlos auf dem Boden liegen, während der Soldat fortfuhr, ihn zu schlagen, zu beschimpfen und zu schmähen.

Ich hatte Mitleid mit dem alten Mann und sagte angetrieben von Neugier und Übermut zu dem Soldaten:

"Das darfst du nicht! Wieso schlägst du ihn, während er betet?"

Er erwiderte forsch: "Du bist still und mischst dich nicht ein! Sonst mache ich das gleiche mit dir!"

Als ich das Böse in seinen Augen erkannte, mied ich ihn und war zornig auf mich selbst, da ich dem Unterdrückten nicht helfen konnte, und auf die Saudis, die mit den Menschen machen, was sie wollen, ohne dass jemand sie zurückhielte oder zur Rede stellt.

Es waren noch andere Besucher anwesend, von denen einige die Redewendung : "Es gibt keine Macht und Kraft außer bei Allah” aufsagten, während andere sagten:

"Es geschieht ihm recht, weil er neben den Gräbern gebetet hat, obwohl es haram ist!"

Da konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und sagte zu jener Person: "Wer hat dir gesagt, dass das Beten neben Gräbern haram sei?"

Er antwortete: “Allahs Gesandter hat es verboten!”

Da sagte ich haltlos: “Ihr erzählt Lügen über Allahs Gesandten!”

Doch ich fürchtete, die Anwesenden könnten sich gegen mich verbünden oder den Soldaten herbeirufen, damit er mich umbringe, also mäßigte ich meinen Ton und sagte:

“Wenn Allahs Gesandter (s.) es verboten hätte, weshalb widersetzen sich dann Millionen von Pilgern und Besuchern seinem Verbot und begehen eine Tat, die haram ist, indem sie in der Moschee des Propheten in Medina neben den Gräbern des Propheten, Abu Bakrs und Omars und in anderen Moscheen auf der ganzen Welt ihre Gebete verrichten? Angenommen, das Beten neben Gräbern sei haram, sollte man dann mit solcher Grobheit und Härte dagegen vorgehen? Oder eher mit Freundlichkeit und Milde?

Erlaubt mir, dass ich euch die Geschichte jenes Beduinen erzähle, der im Beisein des Propheten (s.) und seiner Gefährten ohne Scham auf den Boden der Moschee des Propheten urinierte. Als einige Gefährten aufsprangen und ihre Säbel zogen, um ihn zu töten, hinderte Allahs Gesandter (s.) sie daran und sagte zu ihnen:

‚Lasst ihn und gießt etwas Wasser über seinen Urin. Ihr wurdet erschaffen, um zu erleichtern statt zu erschweren und um frohe Botschaft zu verkünden statt abzuschrecken!‘

Den Gefährten blieb nichts anderes übrig als seinem Befehl Folge zu leisten. Allahs Gesandter (s.) rief den Beduinen zu sich und forderte ihn auf, neben ihm Platz zu nehmen. Nachdem er ihn willkommen geheißen hatte, erklärte er ihm, dass jener Ort ein Gotteshaus sei und man es nicht beschmutzen dürfe. Der Beduine trat zum Islam über und wurde nunmehr nur noch in seiner besten und saubersten Kleidung gesehen, wenn er in die Moschee kam. So sprach der allmächtige Gott die Wahrheit, als Er sagte:

Und wenn du grob und rücksichtslos wärest, würden sie sich allesamt von dir abwenden." (Sure Ali Imran (3), Vers 159)

Einige der Anwesenden waren von der Erzählung beeindruckt, so dass einer von ihnen mich zur Seite nahm und fragte, woher ich komme. Ich sagte, ich komme aus Tunesien. Er begrüßte mich und sagte: "Bruder, bei Gott, du musst dich beherrschen und niemals über so etwas hier sprechen. Das ist mein Rat an dich."

Da wurden mein Hass und meine Wut auf jene, die sich "Behüter der beiden Heiligtümer" nennen, noch stärker. Auf jene, die die Gäste des Barmherzigen mit solcher Grausamkeit behandeln, weil niemand seine Meinung kundtun oder Hadithe überliefern darf, die den ihren widersprechen, oder an etwas anderes glauben darf als das, woran sie glauben.

Ich kehrte in das Haus meines neuen Freundes zurück, dessen Namen ich immer noch nicht kannte. Er brachte mir das Abendessen und setzte sich mir gegenüber. Bevor wir zu essen begannen, fragte er mich, wo ich gewesen sei. Da erzählte ich ihm meine Geschichte vom Anfang bis zum Ende und sagte schließlich: "Ehrlich gesagt, Bruder, habe ich begonnen, mich von den Wahhabiten abzuwenden und mit den Schi'iten zu sympathisieren."

Plötzlich veränderte sich sein Gesicht, und er sagte zu mir: "Wehe dir, so etwas noch einmal zu sagen!" Dann ging er, ohne mit mir gegessen zu haben.

Ich hatte bereits länger auf ihn gewartet, als mich der Schlaf überkam. Früh morgens wurde ich vom Gebetsruf aus der Moschee des Propheten geweckt. Da sah ich, dass das Essen immer noch dort stand, wo ich es gelassen hatte, und wusste, dass mein Gastgeber nicht zurückgekehrt war. Dies machte mich ihm gegenüber so misstrauisch, dass ich befürchtete, er könnte dem Geheimdienst angehören. Also stand ich eilig auf und verließ für immer das Haus. Danach verbrachte ich den ganzen Tag betend in der Moschee des Propheten und verließ das Heiligtum nur, um meine Bedürfnisse oder die Gebetswaschung zu verrichten.

Nach dem Nachmittagsgebet hörte ich, wie ein Prediger inmitten einer Gruppe Unterricht erteilte. Ich gesellte mich hinzu und erfuhr von einigen Teilnehmern, dass er der Kadi von Medina sei. Ich hörte ihm zu, als er einige Verse aus dem Heiligen Qur'an interpretierte. Sobald er den Unterricht beendet hatte und hinaus gehen wollte, hielt ich ihn an und fragte ihn:

"Mein Herr, könnten Sie mir vielleicht die Bedeutung des Verses: ‚Wahrlich, Allah möchte von euch, Ahl-ul-Bayt, jegliche Unreinheit entfernen und euch gründlich reinigen‘ (Sure al-Ahzab (33), Vers 33) erläutern? Wer sind die Ahl-ul-Bayt, die in diesem Vers angesprochen werden?"

Er antwortete mir umgehend: "Die Frauen des Propheten. Schließlich beginnt der Vers mit ihrer Erwähnung: ‚O Frauen des Propheten, ihr seid nicht wie die anderen Frauen, wenn ihr gottesfürchtig seid.‘"

Ich sagte zu ihm: Die schi'itischen Gelehrten sagen, der Vers nehme Bezug auf Ali, Fatima, Hassan und Hussein. Natürlich widersprechen Sie ihnen und begründen es damit, dass der Vers mit ‚O Frauen des Propheten‘ beginnt. Die Schi'iten hingegen haben mir gesagt, es sei durchgehend die weibliche Pluralform vorzufinden, wenn die Frauen des Propheten gemeint seien. So spricht Allah zum Beispiel: ‚In ittaqaytunna; fala takhda‘na; wa qulna; wa qarna fi buyutikunna; wa la tabarrajna; wa aqimna-s-salata wa atina-z-zakata wa ati‘na Llaha wa Rasulahu‘ (Übersetzung: Wenn ihr gottesfürchtig seid; seid nicht unterwürfig; und sagt; und bleibt in euren Häusern; und schmückt euch nicht zu sehr; und verrichtet das Gebet und zahlt die Almosensteuer und gehorcht Allah und Seinem Gesandten.) – alles mit den grammatischen Endungen für die feminine Pluralform. Aber da jener Abschnitt des Verses auf Ahl-ul-Bayt Bezug nimmt, ändert sich die Form der Anrede folgendermaßen: ‚Liyuzhiba ankum; wa yutahhirakum(Übersetzung: Von euch entfernen; und euch reinigen) – beides mit der grammatischen Endung für die maskuline Pluralform."

Da nahm er seine Brille ab und starrte mich an. Dann sagte er: Hüten Sie sich vor diesen vergifteten Gedanken! Die Schi'iten verdrehen Allahs Worte nach Lust und Laune, und sie haben Verse über Ali und seine Nachkommen, die wir nicht kennen! Und sie besitzen einen anderen Qur'an, den sie Mus‘haf Fatima nennen! Ich warne Sie davor, sich von ihnen täuschen zu lassen!"

Ich sagte: "Haben Sie keine Angst, ich bin gewarnt und weiß bereits eine Menge über sie. Ich wollte mich nur vergewissern."

Er fragte: "Woher kommen Sie?"

Ich antwortete: "Aus Tunesien."

Er fragte: "Und wie heißen Sie?"

Ich antwortete: "Al-Tijani."

Da lächelte er hämisch und sagte: “Wissen Sie, wer Ahmad al-Tijani war?”

Ich sagte: "Er war Oberhaupt eines Ordens."

Er sagte: "Er war ein Agent der französischen Besatzer. Durch seine Hilfe konnte der französische Kolonialismus in Algerien und Tunesien Fuß fassen. Gehen Sie einmal in die Volksbibliothek, wenn Sie sich in Paris aufhalten, und lesen Sie selbst im französischen Lexikon unter dem Buchstaben “A” nach. Dort werden Sie herausfinden, dass Ahmad al-Tijani von Frankreich die Ehrenauszeichnung für seine wertvollen Dienste verliehen bekam."

Ich war verwundert über das, was er sagte. Aber ich bedankte mich und ging.

Ich verweilte eine ganze Woche in Medina, während der ich viele Gebete verrichtete und sämtliche Grabstätten besuchte. Im Verlaufe meines Aufenthaltes dort war ich sehr aufmerksam, was dazu beitrug, dass meine Abneigung und Ablehnung gegenüber den Wahhabiten noch stärker wurde.

Ich reiste von Medina aus nach Jordanien, wo ich mich mit Freunden traf, die ich auf einer Pilgerfahrt kennengelernt hatte, wie ich bereits zuvor angedeutet habe. In den drei Tagen, die ich bei ihnen blieb, fand ich bei ihnen größeren Hass auf die Schi'iten als es bei uns in Tunesien der Fall ist und dieselben Gerüchte und Geschichten vor. Und jedesmal, wenn ich jemanden nach seinen Beweisen fragte, sagte man mir, man hätte davon gehört. Auch fand ich darunter niemanden, der jemals mit Schi'iten diskutiert oder ein schi'itisches Buch gelesen hätte, nicht einmal jemanden, der in seinem Leben einen Schi'iten getroffen hätte.

Von dort aus fuhr ich zurück nach Syrien. In Damaskus besuchte ich die Omayyadische Moschee, neben der sich die Stelle befindet, an der einst der Kopf von Hussein zur Schau gestellt worden war. Dann besuchte ich die Grabstätten von Salahaddin al-Ayyubi und Zaynab.

Von Beirut aus begab ich mich direkt nach Tripolis in Libyen. Die Schiffsreise dauerte vier Tage, während denen ich mich körperlich und seelisch erholte und an die Reise zurückdachte, die im Begriff war, zu Ende zu gehen. Meine Rückschlüsse waren Zuneigung und Respekt gegenüber den Schi'iten und gleichzeitig Abneigung und Groll gegenüber den Wahhabiten, deren Intrigen ich nun erkannte. Ich lobte Allah für das, womit Er mich gesegnet hatte, und für Seine Hilfe und Fürsorge, mit der Er mich umgab. Ich bat Ihn, mich auf den Weg zur Wahrheit zu führen.

Als ich wieder heimatlichen Boden betrat, verspürte ich eine starke Sehnsucht nach meiner Familie und meinen Freunden. Ich fand alle wohlbehalten vor. Sobald ich mein Haus betrat, entdeckte ich eine große Menge Bücher, die bereits vor mir eingetroffen waren und deren Herkunft mir bekannt war.

Als ich die Bücher durchsah, wuchs meine Zuneigung und Wertschätzung gegenüber jenen Leuten, die ihr Versprechen nicht gebrochen und mir ein Vielfaches von dem geschickt hatten, was mir damals versprochen worden war.